Cuisine bizarre

"Die Entdeckung eines neuen Gerichtes beglückt die Menschheit mehr
als die Entdeckung eines neuen Gestirnes." (Jean Anthèlme Brillat-Savarin)

Zum Valentinsverzehr

ich Dich
mit Schokolade stopfen
bis reine Kakaomasse
durch Deine Adern rinnt
bis Dein Zartbitterlächeln flüstert:
ich Dich
und jetzt
vernasch mich

ich Dir
die Welt mit Süßstoff impfen
bis Du Eierschaumbahn fährst
die Persipanpartei die Wahl gewinnt
bis Du Trüffelwissenschaften büffelst
ich Dir
schlaf heute Nacht
im Mausespeck mit mir

die Sprühsahne aus Deinem Lendenwolkenreich
gerinnt in meinem Leib zu Nougatherzen
ein jedes schlägt für Dich, noch unter Zuckerschock

ich will
nicht stummes Trauerblau hinter vergißmichdoch
welkenden Lidern dämmern sehen
ich will
den Hunger in Deinen Augen spüren

du weißt
ich brauche dich, dein Lächeln
könnte die ganze Welt retten
du weißt
ich bin nur aus Fleisch und Blut und Wild und Wasser
und meine saure Regenseele lechzt nach Dir

© by Sonja Hingmann
Bild
Cuisine mari(n)time

Komm wir marinieren
in seichtem Salzwasser
von Wellen gewendet

garen in Olivenöl
auf kleiner Flamme
der sinkenden Sonne

richten uns an
auf Feigenblättern
im Strandkieselbett.

© by fenestra
Augäpfel

Wollt Augäpfel schälen,
aber der Abend war hart ,
und das Messer fensterte,
hätt es stattdessen gemauert,
wär Kanker ins Netz gehaust,
hätte Äpfelspänner geschönt,
so aber muss ich Eierkuchen essen
mit ganzen Früchten.
Oder fülle ich doch lieber Granatäpfel rein?
Nichts schmeckt ohne Safran,
aufs Sofa gestreut,
aufs Fensterleder gefährt
oder mit Schokoladeneis gebeutelt.

© by Hutschi
Bild
Nachtlutschen

Heftig fließen Träume, sengen heiß
Tiefer Topf still, traute Vögel
Klatschen Klumpen deine in adrette Räume
Schleifen Säulen, Steine klingen
Seltsam Ratschen, große Schlüssel, fertig Blei
Zitter ein zum Mondgeflüster
Um selbständig kreisende Ecken
Beiße senge du!
Also kreischen Monde bittere Dunkelheit hell
Mein heißer hebsaugender Wanst
Gerinnt saures Licht fingersteif
Darauf fein schweigsames Lösen der Knödel
Und der Wurster holt heilende triefende Suppe durch entfaltete Splitter
Heutiges Klappern bleibt
Und der Griff nach himmlischen Beulen
Nur zu!

© by Gaspanin
€(u)rotik

wenn das Telefon klingelt vibrieren Hormone
Osterlämmer verblühen unter dem kalten Mond
bunte Eier platzen wie Seifenblasen
Schokohasen leiden an ihren abgebissenen Nasen
schmatzen genüsslich braune Lippen
des kleinen Kannibalen
in solch einer Nacht
wenn die marinierte Lammkeule
in Sternensoße aus spanischem Knoblauch
nicht aufersteht
rufe ich an
ein gefügiger Finger wählt die Nummer
der entfesselten Fernmündigkeit
auf der funkelnden Leitung treibt die Zunge
den schlummernden Körper voran
in solch einer Nacht
wenn der erstickte Kalbsnierenbraten
nicht mit menschlicher Stimme klagt
spüre ich
eine süße körperlose Berührung
und ein Prickeln der erdachten Versuchung auf der Haut
wenn das Telefon klingelt vibrieren Hormone
erwachen in alle Ewigkeit gezähmte Dämonen
ranken sich die fastenden Gedanken
auf dem Schokoladenboot entgleitet der lyrische Nonsens
in zungenfertige Weiten
in der kalten Frühlingsdämmerung
wenn das Zuckerlamm einsam fröstelt und erfriert
lege ich auf
Stille auf der Tastatur
eine trotzige Erinnerung der beabsichtigten Sünden
zur ewigen Versuchung führe mich
du Atem der im Telefon pulsiert

© by Urszula Usakowska-Wolff
im supermarkt

auf ins schlachtfeld verpackter
genüsse knödel als kanonenfutter
spaghettini kampfbereit der kekslärm
hinter den sardinen tomatendosen
sorgen für theaterblut wen darf ich
du nennen da bei der tiefkühltruhe
steht ein weibliches wesen was
kauft sie butter könnt ich auch
gebrauchen ihre hübschheit lässt
über ein gewisses maß an intelli
tabasco nicht hinwegtäuschen
also du sag ich butter gleitet un
besonnen hier hinein und dort
hinaus und siehe da ich treff das
zauberwort du strahlst wie weich
gespült es regnet megaperls komm
mit dort hinten steht das wasser das
wie feuer schmeckt lass uns das
fleisch damit begießen dann fahren
wir im einkaufswagen in verkehrter
richtung vermischen suppenpulver
für erlesenen geschmack und putzen
uns mit erdbeereis die zähne ja auf
dem warenlaufband reich geschmückt
mit zwiebelringen laufen wir und
öffnen alle überraschungseier
bis wir inmitten wirrer träume
zusammen eingeschlafen sind

© by Philipp Reisner
gerichte

du hältst den hölzernen
schaft in der hand
mit der breiten klinge,
dein scharfes
chinesisches beil.

ich schneide
mir, dir, der welt
ins fleisch, teile mit
worten, löse aus,
lege frei.

in der luft messer-
spitzen, kreuz-
kümmel, manchmal
ein mond-
roter safranfaden
vor der nacht.

© by Bess Dreyer
Absurdistan

Ich webe mir einen Harnisch
Aus gekochten Spagettis,
Bekleckere mich vorsätzlich
Mit stückiger Tomatensoße
Und reibe mir den alten Käse
Der gestrigen Titelseiten darüber.

Dieses Hemd soll mich schützen
Vor der Kälte der Welt, dem Schmutz
Der Gerechten in ihren geputzten
Vorgärten bescheidener Vernunft
Ihrem Urteil vom Guten und Schönen
Dem Richtplatz des guten Geschmacks.

© by Gert Köbernik
Menu

1. Gang
Tränensuppe mit Hysterie-Einlage

2. Gang
Vorwürfe - scharf angebraten
süß sauer abgeschmeckt

Hauptgang
Marinierte Rechtfertigungen
auf einem Bett von Beleidigungen
als Beilage ein fliegender Teller
mit einer Prise Gift
nach Art des Hauses

Dessert
Ein kleines Klösschen Schweigen
an einer Soße aus pochierter Verzweiflung


        Danke
        das nehmen wir
        Zweimal
        Für meinen Mann
        und mich

        © by Arezoo
[brote als potpourri]

warum legt ihr nicht brote
als potpourris in die dunklen mäuler
eurer schränke? - getreide,
vermahlen, gesäuert, verknetet, gebacken
das weiche holz,
auf dem unser leben fußt.

wir hüpfen von tag zu tag,
laib zu laib,
semmel zu semmel,
körner unter unseren fußsohlen,
unseren nägeln, murmelspiele
in unserem gedärm.

eingefangene sonne,
gezügeltes feuer,
handwarme zusammenfassung
unserer großen geschichte

…geschichte von verbrennungen und
feuersbrünsten - dein köstlicher
duft raubt mir den verstand

ich will, dass meine sachen wie brote riechen
ich will selbst ein brot sein

ein anderer leib
noch vor meinem tod.

© by Oliver Jung
Maitre de la cuisine

Eigentlich ist es ja
nicht schwer:
Sonne, Mond und Sterne
hier ein wenig Liebe
da ein paar Tränen
ein wenig gestorben
etwas gesehnt
ein paar kluge Worte
und viele überflüssige
Hunger, Durst und Müdigkeit
und etwas dagegen getan
- fertig ist das Leben

Aber am Ende werden
sie mir dann wieder sagen
wie schlecht
ich kochen kann

Das ist ernüchternd.

© by Martin Mooz
[Nachtstück]

Im Ofen der Nacht
backen glitzernde Zimtsterne;
ziegenmilchig geht der Mond auf
wie ein Hefeknödel,
leise meckernd.

Die Bohnenranken reichen
noch nicht ganz an ihn.

Unten huscht ein grüner Salamander
von einer Keksdose zur nächsten,
traumtritttrunken.

© by Le Schmürz
Zwei

Spiegelbilder
in
Scherbenhaft,
Blauperiodisch
picassoesk.
Tränenersatz -
Flüssigkeit
in
dunklen
Zwischenträumen,
tropfenweise -
Nahlebenerfahrung
in
Klopfzeichen.

Herzschlagabtausch.

© by Brit Krostewitz


Info zur Anthologie

Diese Gedichtsammlung begann im September 2004 und trägt im Laufe der Zeit lyrische Fundstücke aus dem Internet zusammen. Ein Ende bzw. Abschluss dieser Sammlung ist nicht geplant. Wenn Sie also weitere, hierher passende Gedichte haben, können Sie uns diese gerne zusenden. Eine Veröffentlichung kann jedoch nicht garantiert werden.

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