Der Kindergarten der Lyrik
"Kunst
ist Kindheit nämlich. Kunst heißt, nicht wissen, daß die
Welt schon ist, und eine machen. Nicht zerstören, was man vorfindet,
sondern einfach nichts Fertiges finden.
Lauter Möglichkeiten. Lauter
Wünsche." 1
Gegenwart
Schlaflose Traube
eines Flusskiesels
Du nimmst Land
vom Stamm meiner Nacht
- traumlos -
flackernd erscheinen folgen
visionengleiche Strohfeuer
bevor uns geschenkt würde
die Dämmerung
vergangener Tage
hab dank
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© 2003
by Anne Seubert
atemholen
wer mit steinen spricht
zählt die stunden anders
wer sich dem holz befreundet
wurzelt tiefer
wer sich mit dem wasser vermählt
findet in der wüste das meer
wer sich an die erde verschenkt
hält den himmel in händen
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© 2003 by Wolfgang
Ratz
Monochrome Existenz
Feucht und staubig ziehen
Tage an uns vorüber.
Wir wissen nicht.
Ein Mantel aus Menschen, der jeden Tag dünner wird.
Je mehr, desto weniger geküsst wir bleiben.
Ich ziehe mir nur noch Schwarz an.
Ich lache nur noch durch braunes Glas.
Ich spreche niemanden mehr an. Man
soll auch so durchs Leben kommen.
Ich habe alle hellen Farben aus der Welt gewaschen.
War viel Arbeit, hat sich aber gelohnt.
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© 2002
by Magdalena Heische
Kriegskind
Wenn du schläfst
Zieht Naivität
Eine leichte Decke über Haut
Wenn du wachst
Wachen musst
Brechen Schatten tief durch Augen
Du hast keine Chance
Auf einen Löffel
Kinderleben
Manchmal fliegen Schmetterlinge
Aus deinem Mund
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© 2002
by Susanne Mette
Schlittenkind
Ich stehe als ein Kind
auf einem Schlitten,
in einer kalten Zeit,
die einen schönen Namen trägt
und sehe durch die Stäbe meiner Rippen
und glaube mir
und fahrend schweige ich ins Tal hinab.
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© 2003
by Anja B. - Wolkensteinforum
Steinbodenkinder
Wenn wir
Steinbodenkinder
Nachts durch die Gärten
der Blütenjungen schlichen
Roch es da nach Zuckerwasser
Über den smaragdgrünen Grashalmen
Wenn wir
Steinbodenkinder
Die Zuckerwassergrashalme
Aus den smaragdgrünen Blütengärten
Unter unseren Füßen nach Hause trugen
Starb in unseren Vätern
Immer ein wenig Stolz
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© 2001
by Tomasz Oderwasser
Gewänder
Es kleiden mich
Die Hände der Schwäne
weil
ich die Welt
alleine schneidere
Aber
Jeden Tag
falle ich in die Tiefe
ich fülle die Gewänder nicht
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© 2001
by Stefan Schweers
Ob die Stille atmet ...
Wollt ihr wohl endlich,
- rief es aus dem Fenster -
Ruhe geben, sonst ...
Da räumte das Kind
sein geschwätziges
Wiegenlied ein
und begrub es
unter dem Holunder.
Abseits vom Haus
rückten die Ballspieler
knapp einen Baum,
kaum einen Wortwurf
weiter.
Morgen würde es
nachsehen,
trotz des Verbots
- ... dass du mir
ja nichts Totes
anrührst ... -
ob das Lied
noch atmete
- oder schwarz
geworden war
unter der Stille.
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© 2002
by Bess Dreyer
Nachtkinder
die nacht hat entbunden
und sendet ihre kinder
in die dunkelheit
kaum geboren, können sie fliegen
lassen sich treiben
vom aufwind ruhender unschuld
erwartungsvoll dem lidschlag entgegen
der den schlaf verkündet
dem räuber gleich
stürzen sie hinab auf ihre beute
dringen ein in wehrlose köpfe
durchpflügen die seele
und legen ihre fruchtbare saat
in die furchen unserer sinne
getränkt mit hoffnung und angst
durchstösst der keim
die kruste unserer kleinen welt
wächst und gedeiht und
blüht als traum
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© 2001
by jedermann
Kinderszene
Durch ihren Schritzel macht
Die Kreide Wachs
Und auf dem Tisch
Die Kerzen brennen
Andacht
Doch was anderem
Hab ich mich dann fortgedacht
Was wohl den Himmel schwarz
Macht nur der Mond weiß
Wohl warum nur flennen
Schon ist eine Lache
Plitsch an meinem
Platz und schau und
Schau die Pfützen
Brennen
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© 2002
by iodin
Sandkastenkind
Vor dem Einschlafen
bin ich aufgewacht,
hab' mir die Sandstürme
aus den Augen gewischt
und damit eine Burg gebaut.
Darin wohne ich jetzt
und vertreibe mir
melancholerisch die Zeit,
bis sie mich vertreibt,
wenn überhaupt.
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© 2001
by Johannes Matzke
Bitte
Bitte
sprich nicht so mit mir.
Sprich sanfter, singender.
Sprich lächelnd, sprich kosend.
Sprich wie zu ihr.
Bitte
sprich nicht so mit ihr.
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© 2002
by jon
Tränenkind
du schuldest mir
viermillionen
fünfhundert
sechsundvierzigtausend
und achthundert sekunden
schlaf
macht in stunden
etwa sieben wochen voll
macht in tränen
einundzwanzig kissen
nass
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© 2001
by bernadette r.
Herbstkind
unter den blättern des herbstes
springt meine seele
mit den kastanien um die wette
die schale platzt
ich bin gras
und staub
und versteinere bald
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© 2002
by Hutschi
Kind der Sonne
regennasses blatt
strahlend verbrennt die sonne
ihr geliebtes kind
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© 2001
by trylight
Eigendynamik
Mein Traum
hat Federn gelassen
Ich habe
dir daraus ein Lächeln
gestrickt
Dass du
mich damit auslachst
war nicht geplant
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© 2003
by Anne Seubert
Lebensplan
Ich will,
dass die Sterne
nach mir greifen.
Zum üblichen Verfahren
bin ich zu faul.
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© 1996
by Hans Ische
Mondkinder
so sehr sehne
ich mich
aus des
Winters
eisiger
Umarmung
klamme Finger
frösteln
ob der
Glut
und
mein Herz
bleibt doch nur
Zittern
wenn Grau
dem Dunkel
der Nacht
sich beugt
weißes Licht
bricht
gefrorenes Glas
oft scheu
doch niemals
ganz verwehrt
wacher Blick
hinab
auf die, die schlafen
wärmt kühler
Schein
die Ruhelosen
-Mondkinder-
denke ich und staune
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© 2001
by C.E.
Kind der Dämmerung
Halbtrockener Schleier
verwoben zu Flitter der Nacht.
Meer unschuldigen Daseins
erinnert an frühmorgendliche Winde.
Rosenfarbene Kirschblüten und
mein zartes Spinnentier
sich finden
im Netz
vergangener Ungeduld.
Und ich?
Ich lass mich auffangen und
lächele.
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© 2001
by Kathleen C.
schattenkind
triff, geliebter, mich im dunkeln,
wenn die sonnen finster sind
und die sterne nicht mehr funkeln,
denn ich bin ein schattenkind.
achten sollst du, was wir hatten
bis zum letzen sonnenstrahl;
triff, geliebter, mich im schatten,
triff mich noch ein letztes mal.
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© 2002
by nandris
Sandkind
unter ziehenden Wolken
zwischen wandernde Schatten
in alles was von oben fallend
weich den Boden bedeckt
unbekümmert im Liegen
immer wieder ausgelassen
Engelsfiguren malen
und wissen
Sanduhren ticken nicht
beeindruckt
nur der Sand
voller Engel
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© 2001
by Martin Mooz
unwissend
am Nachthimmel
nur zwinkernde Lichter
und der lustige Mond
weit dahinter im Nebel
10 Menschenjahre entfernt
Myriaden Sterne
die seit Jahrmillionen
im Nichts kreisen
ein Kreisel tanzt
ausgelassen
über Holpersteine
torkelt noch
vom Peitschenschlag
nimmermüder Kinderhände
es sieht nur
die spröden Furchen
auf dem Kreisel
und dem Mond
und versteht
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© 2001
by Martin Mooz
Drachenkind
Das Kind in mir tänzelt weit vor,
bis ich nur noch seine Haare
als roten Drachenpunkt
im Wolkenwald aufblitzen sehe.
Ich kann es nicht mehr halten.
Vielleicht könnte der wilde Junge in dir
unter unserem applaudierenden Staunen,
ihm entgegenlaufen.
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© 2002
by Alessandra
Mancinelli
Das Wasserkind
das Wasser
formwandelnd
zwischen Niederschlag
und warmen Dunst
stets nur Wasser bleibt
und sublimiert
was im Schweben
erworben und
aus Erde sich löste
das Wasserkind
nicht wusste
um geborgte Elemente
hielt es gestern noch
für Wahrheiten
und Ich
und heute
Staub in leeren Händen
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© 2001
by Martin Mooz
Schmetterlingskind
jede Nacht umhüllt
vom papiernen Weltschmerz
auf den Parkbänken
der Wirklichkeit
liest schon lange nicht mehr
heimlich unter der Decke
bis das Geflecht der Tage
einst zum Kokon gesponnen
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© 2002
by Martin Mooz
Stoffwechsel
allen Hüllen
stets entwachsen
mächtig stolz drauf
wenn die Welt
wieder ein Kopf kürzer war
und die neuen Sachen größer
hab ich heute
jeden Tag
ein paar frische
Sorgen
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© 2001
by Martin Mooz
Das Regenkind
Es regnete in Strömen
Ich lächelte verstohlen
und durchnässt
Heute fiel der Regen
nicht durch mich hindurch
auf den Boden meiner Seele
Ich hatte sie
unter Naturschutz gestellt
Vor meiner Natur.
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© 2000
by Martin Mooz
1
Zitat aus "Im Gespräch" von Rainer Maria Rilke
wo etwas bleibt
an einem Tag wie heute
möchte ich ein Loch reißen
in die Haut
des Sommers
nicht groß
nur so
dass mein Schatten
hindurchgeht
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© 2003 by Anna