Leben

wesentlich

Anfangen aufzuhören
mit fragen.

Woran es liegt.
Wo die Ursachen zu suchen sind
für all das und überhaupt.
Und ob sich auf dem Weg dahin
nicht doch ein Sinn finden lässt
wenigstens jemand der Schuld hat.
Vielleicht auch nur eine Ecke,
auf die man noch prophylaktisch
mit dem Finger zeigen kann:
Da sollte jemand stehen
und sich schämen!

Anfangen aufzuhören
mit fragen:

Ich liege an dir.
Mehr

Mehr Leben wäre gut.
Könnte dann mehr empfinden
aber auch mehr fallen.
Finde aber keinen Gefallen daran
mehr noch zum Wehtun
zu tun zu bekommen.

Hab dann lieber
nichts zu tun
glaube ich.

Und streiche
meinen Elfenbeinturm

bunt.
Wegweisung

Niemals mehr
planlos umherirren
in finsteren Zeiten
versprachen jene
die wussten
wo es lang geht
und leuchtend
den Weg wiesen
und sagten
dass Land in Sicht wäre.

Und tatsächlich:
Jetzt irre ich
nur noch
durch ein Meer
voller Leuchttürme.
Bild
1013,25 hPa

Vielleicht erst dann
wenn gar nichts mehr
zum Beschönigen
zum Relativieren
zum Beschwichtigen da ist

werden sie dir sagen
dass schon immer - jeden Tag,
dein Leben lang - 20 Tonnen
auf deinen Schultern lasteten.

Erfahrung

Fühlte
und bekam Schmerz.
Hoffte
und bekam Enttäuschung.
Fragte
und bekam Zweifel.

Brav
sag ich
auch noch
Danke.
Metamorphose

Nächte kriechen
dunkel gefräßig.
Morgentau
erhebt sich stolz
und fliegt hinfort.

Eine leere Hülle Ich
träumt weiter
Schmetterling
zu sein.
Abends

Wenn ein Tag geht
ist es einer weniger oder mehr.
Je nachdem
von welchem Ende man das sieht.
Wie mit dem Glas, über das man
nächtelang diskutieren könnte.
Ich sehe nur:
es ist blass vom Kalk
und gehen duschen.
Maitre de la cuisine

Eigentlich ist es ja
nicht schwer:
Sonne, Mond und Sterne.
Hier ein wenig Liebe.
Da ein paar Tränen.
Ein wenig gestorben.
Etwas gesehnt.
Ein paar kluge Worte
und viele überflüssige.
Hunger, Durst und Müdigkeit
und etwas dagegen getan.
Fertig ist das Leben!

Aber am Ende werden
sie mir dann wieder sagen
wie schlecht
ich kochen kann.

Das ist ernüchternd.
Ansichtssache

Blöd nur
dass das Leben
zu jedem Zeitpunkt
immer schöner
sein könnte
weil wir hilflos
unseren Sehnsüchten
hinterherlaufen.

Vielleicht sind sie nur
die Scheinwerfer
an unserem Auto
in der Nacht
unserer Tage.

Sogesehen
müsste der Himmel
ein riesiger
Autofriedhof sein.
Blaulicht

Eine Sirene ertönt, verlischt.
Zuckt ein Gedanke noch
viel schneller auf und vorbei:
eine Wohnung frei
ein Wesen geboren
auf dem Weg ins Leben
oder hinaus und zuckt nicht mehr.
Wer weiß das schon.

Bei uns sterben
nun auch die Fliegen
wie die Menschen
an Altersschwäche
oder Herzverfettung.
Woanders vielleicht umgekehrt.
Wer weiß das schon.

Blaues Licht gibt es genug
auf dieser Welt.
Und zuckende Lichter am Himmel
in den Nächten.
Ein paar tausend Menschen werden so
mit jeder Drehung ausgetauscht.
Erben leere Wohnungen
oder leere Reisschüsseln.
Wofür niemand kann.
Auch nicht, dass Menschen sterben.

Wie die fliegen
denke ich noch
den Flugzeugen nach.
Falsch verstanden

Ich liebe das Dasein

ich bin nämlich
verlebt
verbort
verheimatet
Bild
Schweigen

Wer ist's
wer lenkt
den Weltenlauf
das Schattenspiel
den Erdenschmerz?

Ist niemand da
in diesem Universum
nur Dreck
der fatalistisch
um sich kreist?

Wo ist das Buch
in dem schon vorgezeichnet
die Qual und alles Leiden steht?
Und ein später Sinn vielleicht
am Ende, wenn der Strich gezogen?

Der Himmel schweigt.
Kein Engel
der herniedersteigt
dich zu erretten
und hinfortzutragen.

Ein Staubkorn nur
das denkt und fühlt
kann fragen auch
und schreien:
den Zorn
die Trauer
seinen Schmerz.

Doch wohin?

Und still sein
kann es auch.
Werte

Gegen unsere
feierlichen Buchstaben


Recht auf Leben.
Frieden für alle.
Und mehr Menschlichkeit.
Geboren aus tiefster Überzeugung
und Einsicht in die Notwendigkeit
die Welt zu verbessern.

bleibt nichts zu sagen

Woanders würde man
das zu erreichen
sicher noch Kriege führen oder
in den Hungerstreik treten.
Wenn man nicht
beschäftigt wäre
mit anderen Dingen
und lesen könnte.

nur Sprachlosigkeit
Du sollst nicht fragen

Wenn du abends
nach Hause kommst
dann frage nicht
wohin die Flüsse fließen
und der Wind weht!

Sie sammeln nur
zu Grabe zu tragen
was nicht fliegen
und nicht schwimmen konnte.

Erhebe dich wie jeden Tag
im Morgenlicht
und frage nicht!

Während irgendwelche Sonnen
in irgendwelche Himmel scheinen
wirst du nur wieder
wie jeden Abend
mit nassen Flügeln
nach Hause schleichen.
vorwärts

Der Abend legt sich
wohlwollend
in die Schalungen
des Tages

und ein Stein mehr
verstaubt
auf der Straße
nach Irgendwo:

Nr. 9393
Spurensuche

Geworfen aus allen Bahnen
die fuhren nach Irgendwo.

Neben den Gleisen
verwischte Spuren
im Sand der Jahre.

Nur ein Träumer
erkennt Sandburgen
die von fernen Stränden
noch immer nachwehen.

Einst von kindlichen Händen
aus Ozean und Sand
zu weichem Matsch geformt

liegt Ähnliches
in heutigen Händen.

Nur das Meer ist fern.
Sehr fern.
frühe Weisheit

Er lächelte noch.
Als sie nach Tagen
den Strick zerschnitten
den er sich umgelegt hatte
nachdem er zuviel
mitbekommen hatte
von der Welt
die ihn erwartete

floss noch frisches Blut
- als wolle es sagen:
"Ich war doch nur konsequent!" -
aus der Nabelschnur.
© 2000-2002 by Martin Mooz