Sprache & Kommunikation

Da Gott den Menschen zu einem geselligen Wesen bestimmt hatte, so gab er ihm nicht blos eine Neigung, ja Notwendigkeit, mit seines Gleichen zu verkehren, sondern versah ihn auch mit einer Sprache, welche das grosse Werkzeug und gemeinsame Band der Gesellschaft werden sollte. Der Mensch hat deshalb von Natur so eingerichtete Organe, dass er artikulirte Laute, bilden kann, die Worte heissen. Doch reicht dies zur Sprache nicht hin; denn auch Papageien und anderen Vögeln kann das Bilden von artikulirten Lauten angelernt werden, obgleich sie auf keine Weise der Sprache fähig sind. [...] Es war also ausserdem noch die Fähigkeit erforderlich, die Laute als Zeichen innerer Auffassungen zu gebrauchen und sie zu Zeichen von Vorstellungen zu machen, die Anderen dadurch erkennbar würden, damit die Menschen ihre Gedanken einander mitteilen konnten.
John Locke (2, 1f), Versuch über den menschlichen Verstand: Drittes Buch, Über die Worte

Endlich verführt die Fähigkeit zu sprechen den Menschen auch dazu, zu reden, wenn er überhaupt nichts denkt, und indem er, was er redet, für wahr hält, sich selbst zu täuschen. Das Tier kann sich nicht selbst täuschen. So wird der Mensch durch die Sprache nicht an sich besser, sondern nur mächtiger.
Thomas Hobbes (1, Bd. 2: 21), Grundzüge der Philosophie: Zweiter Teil, Lehre vom Menschen

Ein stummer Mensch, in dem Verstande, wie es die Tiere sind, der auch nicht in seiner Seele Worte denken könnte, wäre das traurigste, sinnloseste, verlassenste Geschöpf der Schöpfung und der größeste Widerspruch mit sich selbst! Im ganzen Universum gleichsam allein, an nichts geheftet und für alles da, durch nichts gesichert, und durch sich selbst noch minder, muß der Mensch entweder unterliegen oder über alles herrschen, mit Plan einer Weisheit, deren kein Tier fähig ist, von allem deutlichen Besitz nehmen oder umkommen! Sei nichts oder Monarch der Schöpfung durch Verstand! Zertrümmere oder schaffe dir Sprache! Und wenn sich nun in diesem andringenden Kreise von Bedürfnissen alle Seelenkräfte sammeln, wenn die ganze Menschheit, Mensch zu sein, kämpfet - wieviel kann erfunden, getan, geordnet werden!
Johann Gottfried Herder (1, 2.Teil), Abhandlung über den Ursprung der Sprache

Die Bedeutung der Sprache für die Entwicklung der Kultur liegt darin, dass in ihr der Mensch eine eigene Welt neben die andere stellte, einen Ort, welchen er für so fest hielt, um von ihm aus die übrige Welt aus den Angeln zu heben und sich zum Herrn derselben zu machen.
Friedrich Nietzsche (7, 11.), Menschliches, Allzumenschliches: Erstes Hauptstück, Von den ersten und letzten Dingen

Sprechen- und Schreibenkönnen heißt freiwerden: zugegeben, daß nicht immer das Beste dabei herauskommt; aber es ist gut, daß es sichtbar wird, daß es Wort und Farbe findet.
Friedrich Nietzsche (10, 37[8]), Nachlass: Fragmente Ende 1874

Alles Sprechen und Schreiben heißt würfeln um den Gedanken. Wie oft fällt nur ein Auge, wenn alle sechs fallen sollten.
Friedrich Hebbel (1, [3306]), Tagebücher 1843-1847

Schreibt ihr Plattheiten und Unsinn in die Welt, so viel es euch beliebt, das schadet nicht, denn es wird mit euch zu Grabe getragen; ja, schon vorher. Aber die Sprache laßt ungehudelt und unbesudelt: denn die bleibt.
Arthur Schopenhauer

Die Menschen scheinen die Sprache nicht empfangen zu haben, um die Gedanken zu verbergen, sondern um zu verbergen, daß sie keine Gedanken haben.
Søren Kierkegaard

Unsre Sprache ist entweder – mechanisch – atomistisch – oder dynamisch. Die echt poetische Sprache soll aber organisch lebendig sein. Wie oft fühlt man die Armut an Worten – um mehrere Ideen mit Einem Schlage zu treffen.
Novalis (2, 21); Vermischte Bemerkungen [Blüthenstaub]

Man bestreite keines Menschen Meinung; sondern bedenke, daß wenn man alle Absurditäten, die er glaubt, ihm ausreden wollte, man Methusalems Alter erreichen könnte, ohne damit fertig zu werden.
Arthur Schopenhauer (1, 720), Aphorismen zur Lebensweisheit

Bei allem, was Sprache heißen soll, wird schlechterdings nichts weiter beabsichtigt, als die Bezeichnung des Gedankens, und die Sprache hat außer dieser Bezeichnung ganz und gar keinen Zweck.
Johann Gottlieb Fichte, Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprunge der Sprache

Das Sein, gegründet auf lauter Unsagbarkeiten, ist darum selbst etwas Unsagbares. Jawohl, das Unsagbare. Wo die Worte aufhören, da fängt erst das Leben an, erschließt sich erst das Geheimnis des Seins.
Ludwig Feuerbach (1), Grundsätze der Philosophie

Der ausgebildeten Sprache liegt die Reflexion zu Grunde; deshalb vermag die Sprache nicht, das Unmittelbare
auszusagen. Die Reflexion tötet das Unmittelbare; [...]. Das Unmittelbare ist nämlich das Unbestimmbare; darum kann die Sprache es nicht in sich aufnehmen.
Søren Kierkegaard (1, 72), Entweder-Oder

Die Sprache kann für alles außerhalb der sinnlichen Welt nur andeutungsweise, aber niemals auch nur annähernd vergleichsweise gebraucht werden, da sie, entsprechend der sinnlichen Welt, nur vom Besitz und seinen Beziehungen handelt.
Franz Kafka (1, 57.), Betrachtungen über Sünde, Leid, Hoffnung und den wahren Weg

Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. Die Logik erfüllt die Welt; die Grenzen der Welt sind auch ihre Grenzen. [...] Was wir nicht denken können, das können wir nicht denken; wir können also auch nicht sagen, was wir nicht denken können.
Ludwig Wittgenstein (5.6, 5.61), Tractatus logico-philosophicus

Ich bin nicht der Meinung, daß einem jemals die Kraft fehlen kann, das, was man sagen oder schreiben will, auch vollkommen auszudrücken. Hinweise auf Schwäche der Sprache oder Vergleiche zwischen der Begrenztheit der Worte und der Unendlichkeit des Gefühls sind ganz verfehlt. Das unendliche Gefühl bleibt in den Worten genau so unendlich, wie es im Herzen war. Das was im Innern klar ist, wird es auch unweigerlich in Worten. Deshalb muß man niemals um die Sprache Sorge haben, aber im Anblick der Worte oft Sorge um sich selbst. Wer weiß denn aus sich selbst heraus, wie es um einen steht. Dieses stürmische oder sich wälzende oder sumpfige Innere sind ja wir selbst, aber auf dem im geheimen sich vollziehenden Weg, auf dem die Worte aus uns hervorgetrieben werden, wird die Selbsterkenntnis an den Tag gebracht, und wenn sie auch noch immer verhüllt ist, so ist sie doch vor uns und ein herrlicher oder schrecklicher Anblick.
Franz Kafka (3, 158), Brief an Felice Bauer, 18/19. Februar 1913

Was sich bloß durchs dunkle Gefühl empfinden läßt, ist keines Worts für uns fähig, weil es keines deutlichen Merkmals fähig ist. Die Basis der Menschheit ist also, wenn wir von willkürlicher Sprache reden, unaussprechlich. Aber ist denn Basis die ganze Figur? Fußgestelle die ganze Bildsäule? Ist der Mensch seiner ganzen Natur nach denn eine bloß dunkel fühlende Auster? Lasset uns also den ganzen Faden seiner Gedanken nehmen: Da er von Besonnenheit gewebt ist, da sich in ihm kein Zustand findet, der im ganzen genommen nicht selbst Besinnung sei oder doch in Besinnung aufgeklärt werden könne, da bei ihm das Gefühl nicht herrschet, sondern die ganze Mitte seiner Natur auf feinere Sinne, Gesicht und Gehör, fällt und diese ihm immerfort Sprache geben: so folgt, daß im ganzen genommen auch kein Zustand in der menschlichen Seele sei, der nicht wortfähig oder würklich durch Worte der Seele bestimmt werde. Es müßte der dunkelste Schwärmer oder ein Vieh, der abstrakteste Götterseher oder eine träumende Monade sein, der ganz ohne Worte dächte. Und in der menschlichen Seele ist, wie wir selbst in Träumen und bei Verrückten sehen, kein solcher Zustand möglich. So kühn es klinge, so ists wahr: Der Mensch empfindet mit dem Verstande und spricht, indem er denket.
Johann Gottfried Herder (1, 2. Teil), Abhandlung über den Ursprung der Sprache

Eine dritte, und zwar die größte Wohltat der Sprache ist, daß wir befehlen und Befehle verstehen können. Denn ohne diese gäbe es keine Gemeinschaft zwischen den Menschen, keinen Frieden und folglich auch keine Zucht, sondern Wildheit; ohne Sprache würden die Menschen einsam leben und in Schlupfwinkeln jeder für sich hausen, nicht aber gesellig wohnen.
Thomas Hobbes (1, Bd. 2: 19f), Grundzüge der Philosophie: Zweiter Teil, Lehre vom Menschen

Je tiefer man in ein lebendig Ganzes, sei es nun ein Mensch, Kunstwerk oder Buch, einzugehen das Glück hat, desto tiefer fühlt man die Unzulänglichkeit des Redens. Die Worte geben nicht den Sinn, sie umgeben ihn nur.
Ernst von Feuchtersleben (1, Bd. 3: 195), Sämtliche Werke - Bläter aus dem Tagebuch eines Einsamen

Erst das Wort reißt Klüfte auf, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Sprache ist in unsere Termini zerklüftete Wirklichkeit.
Christian Morgenstern (1, 47), Sprüche, Epigramme, Aphorismen, Notizen

Worte sind gewiß nicht alles, es gibt immer noch etwas zwischen den Worten, hinter den Worten - aber all dies Unaussprechliche bekommt ja erst einen Sinn dadurch, daß die Worte da sind, und durch die verschiedene Distanz, das verschiedene Verhältnis, das es eben zu den Worten hat.
Arthur Schnitzler (3, 45), Aphorismen

Worte behindern oder töten sogar den vollkommenen Gedanken, oder sie werden von ihm getötet; aber sie sind, wie ein Gerüst, nützlich, wenn nicht gar unverzichtbar, um ein vollkommenes Gedankengebäude zu errichten und zu seiner Vervollkommnung beizutragen.
Samuel Butler (1, 94), The Note-Books

Die Worte bilden so etwas wie ein Gewölbe über unseren unterirdischen Gedanken.
Jules Renard (1, 163), Tagebuch, 17. Oktober 1899

Die Worte haben sich vor die Dinge gestellt; sie spinnen alles Leben vom Menschen ab und wenn wir den Mund aufmachen, reden immer zehntausend Tote mit.
Hugo von Hofmannsthal

In die Worte schließen, schmelzen gleichsam die Ideen sich ein, wie Edelsteine in Ringe; ja, sie werden Fleisch in ihnen wie die Seele im Leib und machen sie sich zu eigen wie eine Person.
Giacomo Leopardi (1, 400), Das Gedankenbuch

Die einzelnen Worte schwammen um mich; sie gerannen zu Augen die mich anstarrten und in die ich wieder hineinstarren muß: Wirbel sind sie, in die hinabzusehen mich schwindelt, die sich unaufhaltsam drehen und durch die hindurch man ins Leere kommt.
Hugo von Hofmannsthal (1), Brief des Lord Chandos an Francis Bacon

Aber ist es nicht oft so, daß ein übervolles Herz mit den banalsten Worten nach Ausdruck sucht? Und vermag denn jemand genau zu sagen, wie groß sein Wünschen und Wollen, seine Innenwelt, seine Schmerzen sind? Des Menschen Wort ist wie eine gesprungene Pauke, auf der wir eine Melodie heraustrommeln, nach der kaum ein Bär tanzt, während wir die Sterne bewegen möchten.
Gustave Flaubert (1, 234), Madame Bovary

Wenn du etwas weitersagen willst, so seihe es zuvor durch drei Siebe: Das erste läßt nur das wahre hindurch. Das zweite läßt nur das Gute hindurch und das dritte läßt nur das Notwendigste hindurch. Was durch alle drei Siebe hindurchging, das magst du weitersagen.
Sokrates

Wer etwas Sagenswertes zu sagen hat, braucht es nicht in preziöse Ausdrücke, schwierige Phrasen und dunkle Anspielungen zu verhüllen; sondern er kann es einfach, deutlich und naiv aussprechen, und dabei sicher sein, daß es seine Wirkung nicht verfehlen wird.
Arthur Schopenhauer

Keiner denkt bei dem Wort gerade und genau das, was der andere, und die noch so kleine Verschiedenheit zittert, wie ein Kreis im Wasser, durch die ganze Sprache fort. Alles Verstehn ist daher immer zugleich ein Nicht-Verstehen, alle Übereinstimmung in Gedanken und Gefühlen zugleich ein Auseinandergehen.
Wilhelm von Humboldt (1), Schriften zur Sprache

Wir reden um unsere Gedanken herum, weil wir keine Gedanken in Worten völlig auszudrücken vermögen, sonst wäre die Verständigung - mindestens zwischen Verständigen - längst erfolgt. Aber wir denken auch um die Worte herum, und das ist das Bedenkliche. Hätten wir die Kraft oder den Mut oder die Möglichkeit, von den Worten vollständig wegzudenken, wir wären weiter als wir sind.
Arthur Schnitzler (3, 45), Aphorismen

Überall ist hier die Sprache erkrankt, und auf der ganzen menschlichen Entwickelung lastet der Druck dieser ungeheuerlichen Krankheit. Indem die Sprache fortwährend auf die letzten Sprossen des ihr Erreichbaren steigen mußte, um [...] das dem Gefühl Entgegengesetzte, das Reich des Gedankens zu erfassen, ist ihre Kraft durch dieses übermäßige Sich-Ausrecken in dem kurzen Zeitraume der neueren Zivilisation erschöpft worden: so daß sie nun gerade Das nicht mehr zu leisten vermag, wessentwegen sie allein da ist: um über die einfachsten Lebensnöte die Leidenden miteinander zu verständigen.
Der Mensch kann sich in seiner Not vermöge der Sprache nicht mehr zu erkennen geben, also sich nicht wahrhaft mitteilen: bei diesem dunkel gefühlten Zustande ist die Sprache überall eine Gewalt für sich geworden, welche nun wie mit Gespensterarmen die Menschen faßt und schiebt, wohin sie eigentlich nicht wollen; sobald sie mit einander sich zu verständigen und zu einem Werke zu vereinigen suchen, erfasst sie der Wahnsinn der allgemeinen Begriffe, ja der reinen Wortklänge, und in Folge dieser Unfähigkeit, sich mitzuteilen, tragen dann wieder die Schöpfungen ihres Gemeinsinns das Zeichen des Sich-nicht-verstehens, insofern sie nicht den wirklichen Nöten entsprechen, sondern eben nur der Hohlheit jener gewaltherrischen Worte und Begriffe: so nimmt die Menschheit zu allen ihren Leiden auch noch das Leiden der Konvention hinzu, das heißt des Übereinkommens in Worten und Handlungen ohne ein Übereinkommen des Gefühls.
Friedrich Nietzsche (2), Unzeitgemäße Betrachtungen: IV, Richard Wagner in Bayreuth

Da nicht in der Sprache, wie in der Mathematik, Identität des Zeichens und Objektes stattfindet, ja da die Worte nicht einmal Schattenbilder, [..] sondern willkürliche, nichts malende Schnupftuchsknoten der Besinnung sind: so ist für den Philosophen, der immer das Ei früher ausbläset als ausbrütet, die Sprache gerade ein unentbehrliches Werkzeug.
Jean Paul (2, 1025f), Clavis Fichtiana

Die Bezeichnung durch Töne und Striche ist eine bewundernswürdige Abstraktion. Vier Buchstaben bezeichnen mir Gott; einige Striche eine Million Dinge. Wie leicht wird hier die Handhabung der Universums, wie anschaulich die Konzentrizität des Geisterreichs. Ein Kommandowort bewegt Armeen; das Wort Freiheit Nationen.
Novalis (3, 11), Blütenstaub

Verwendet nie ein neues Wort, sofern es nicht drei Eigenschaften besitzt: Es muß notwendig, es muß verständlich und es muß wohlklingend sein.
Voltaire

Es ist besser zu schweigen und als Idiot verdächtigt zu werden, als zu reden und dadurch alle Zweifel zu beseitigen.
Abraham Lincoln