Julia Romazanova

geboren - 28.04.1984 in (damals noch) Leningrad
umgezogen I - mit acht und Familie nach Duisburg
umgezogen II - mit neunzehn und Abitur nach Münster
lern' gern' - Sprachen mit möglichst geringer Anzahl an lebenden Sprechern
studiere - psychologische (2. Nebenfach) Aspekte sprachlicher (Hauptfach)
   Kommunikation (1. Nebenfach) (=> M.A.)
werde - (hoffentlich) Dozentin und
forsche - in den Bereichen Sprachtypologie, Universalien, Semiotik,
              Sprachpsychologie, Grammatik "exotischer" Sprachen, ...
verehre - Arthur Rimbaud, Edward Sapir, Gottfried Benn, Paul Celan, Gustav Klimt,
The Cranberries, Nikolai Gumilew, Reamonn, William Shakespeare,
Stanley Kubrick, Noam Chomsky, Niklas Luhmann,...
liebe - lesen, schreiben, lachen, weinen, Freunde, auf Bäume klettern,
          diskutieren, küssen, zeichnen, tanzen, ernste Leute ärgern
lese - Faust (alle sechs Monate), Fight Club, "Klassiker"
dichte - mittlerweile auf Deutsch und Englisch, gerne in Vorlesungen ;-)
wünsche - freie Liebe für alle und eine Gummizelle für Bush
Sonett VI: letzte Umarmung

Dein Arm ist still und schwarz, wie jene Nächte.
Die mich nicht länger schultern, deine Finger
- So oft Erschöpfer, öfter Lichtenbringer...
Wir sind nicht mehr die Kinder solcher Mächte.

Vorbei, vorbei, dass mir dein Atem schallte
Durch ferne Tränen oder fremde Küsse.
Was wirklich endet, fordert keine Schlüsse:
Wer Ohr ersetze. Wer die Luft behalte.

Ruh' noch dein Aug' in meine wüsten Haare
Und sage ein Gebet auf milde Jahre:
Dass sie versprechen, was mein Herz nicht hält.

Der Nebel schwillt uns letzte Augenblicke:
Dass er nur mich, dass ich das Wort ersticke...
Du gehst. Ich bleibe stehen. Licht verfällt.
Sonett VII: Zum Himmel

ersonnen dort, muss hier in pfützen drängen
dein angesicht am straßenrand zerfahren
ich lehne dich zum fensterstrand hinaus:
wie kühl bist du in dieser früh' durchlebt

verknüpft in kondensiert verstreiften jahren
in stratosphären atemlos verblendet
und zärtlich! neues licht zehrt von gesängen
die vogelrot in deinem haar verwebt

wo milch zerronnen blinken keine staus
und still! Wo sich kein blütenblatt mehr wendet
kein wort sich bricht in lupen reinen blaus

ich werde wolke sein wo alles endet
mich atmet einer ein und einer aus
und was mich hält ist schon an dich verschwendet
Endlich

So vieles ist mir noch geblieben:
Mein gelber Stuhl am grünen Meer.
So falsche Gründe Dich zu lieben:
Wie liebe ich Dich dann so sehr?

Scheint's, was wir alle endlich müssen:
Tun vogellichte Morgen kund,
Weint es mich nicht nach Deinen Küssen:
Ein süßer Vers dem weißen Mund.

Und was fällt schwer, solang' wir hegen:
Schwebt um die Füße leicht wie Schnee.
Und was Du wiegst hält mich verwegen
Noch wärmend auf, wenn ich geh'.
wichtig

die nägel stecken in der wand
gewohntermaßen
man steckt die köpfe in den sand
entlang der straßen
zuweilen klingt mein hartes deutsch
schon ziemlich richtig
die silbe findet ihren fuß

mehr ist nicht wichtig

die sonden schweben hin zum mars
weil wir das können
zuweilen schweben wir im schlaf
man darf's uns gönnen
lasst rippen heil, bin eurer doch
schon angesichtig
die seele sucht sich ihren gast

mehr ist nicht wichtig

die wolken strömen in das meer
soviel wir wissen
man strömt noch aufeinander zu
in feuchten kissen
bedient euch, meine brust ist nicht
gebührenpflichtig
und sie kommt nacht für nacht zur ruh

mehr ist nicht wichtig
Barockes Sonett: Umsonst

Dein Meeres-grün ist grau-samster Wein:
Du glühst das Rau zu Samt - in Dich versunken,
Man falle, glaube ich von Dir betrunken,
Am Ende in ein sanfteres Gestein;

Schein ist nicht hell; was hell ist, das ist Schein -
Du solltest meinen Felsenmund nicht wärmen:
Das versewelke Blattgold, Mondeschwärmen,
kann niemals Preis für alles, alles sein!

Hör auf. Sei still: Ich will nicht wollen wollen -
Du küsst umsonst, ich bin so fern verschollen
Im Scholleneis, damit Du mich verschonst;

Sei still. Sieh hin: Wie schwarz die Schluchten schimmern,
Das Wasser dunkelt leis', die Ruder wimmern:
Uns ist nicht einmal diese Fahrt umsonst.
überschneit/ -brückt

lehr' mich dein gipfelindigo:
die ferne leuchtend durch und ein.
die wimpernfeuchte sicht - mein schrein:
bloß festgestellt im tausendwo.

schenk mir den wind in deinen haar'n:
wie stellt dein fest mich eisig bloß -
das schwerste los wird schwerelos
in deinen kussbeseh'nen jahr'n!

mein schöner Winter! stechend kalt
ein Lippenauge erweckt -
denn wo du gehst ist eine Brücke,

und wenn du gehst: zerbrechend alt
bleib ich zurück, und lidbedeckt
in mir erstarrte fingerblicke -
eine Bitte

o weiche doch -

ein Weilchen nur den hitzig weiten Poren
flieh Wang und Mund
mit Deinem weichen Blick

hör auf, das Glas,
was dort verrinnt (wär' ich nur selbst
so leicht entronnen) zu zerschneiden
und erlaub'

den wunden Augen, wenn auch für Sekunden
vom Schnee zu scheiden
der als Stunden fällt
und mich verfehlt

zu kühlen
komm, befehle
(Dein Sanft ist fehl am Platz),
den Namen, der in jedem Kissen glüht,
zur Tinte zu zerfetzen,
nicht

im Blutrausch flüstern

ja,
du meinst es gut, darum versuch',
die brüchig schwülen Finger zu verlassen
damit sie kalten Himmel fassen können
nicht Deine kalte Stirn,
so lass

mich nur
für einen Augenblick vergessen,
durch Aneinanderreihen meiner losen Wimpern
den Abstand zwischen meinem Herz zu messen,
und Deinem, der nicht abnimmt

nehm' ich
den Hörer ab,
um Dich zu atmen, der Du selbst geatmet
die Winterfrische fort;
gib sie zurück!

- und mach' mich wenigstens ein Stück erfrieren.
erwachen

und neben dir, als du erwacht:
mein blauer mantel, schlafversunken -
zu übermütig ausgetrunken
die meerestiefe einer nacht

wenn sterne lachten transparent
hinab auf unser frühlingsschwirren.
wie konnten wir sie je verwirren:
ein lufttanz, der sich selbst verkennt.

frag' bitte nicht: was uns verbunden.
sag: wann ist dir ins nichts entschwunden
der mond auf meinem mantelsaum.

und seufze nicht: wozu das streben.
du träumtest einst mit mir vom leben.
ich lebte einst für dich vom traum.
Blau

In deinem Schrank ist wenig Platz
Für fliederversenes Papier.
Ich liege noch zerwühlt im Bett.
Du ziehst dich an und gehst zu dir.

            am strand ist jedes sandkorn blau
            türkise wolken ziehen weit
            zum horizont und tropfen schwer
            ins indigo der flüssigkeit

            ein transparenter lila fisch
            verfliegt nicht ahnend was geschah
            azurblau atmend sitze ich
            auf hellem mauve. 

Wir sitzen da.

Mein Schatz, wie bist du weit entfernt
Wenn ich dir in die Augen schau':
Sie sind ein weißes, weißes Nichts
Im grenzenlosen, blauen Blau.
non solum in vino

wo nichts verbrückt ist nichts verbrannt:
lass mir den hohn!

was änstigt sich so unverwandt
der baskenton?

und ein neurosenrauschter trug:
dass ich verglüh'.

und weine alte in den krug:
statt dass ich blüh'.

wir duzen dieses bunte wir:
statt uns zu dun.

im schlürfen durch brünettes bier:
lass' es nur ruh'n.
© 2004 by Julia Romazanova