Glück & Unglück

Die Menschen wären glücklich, hätten sie nicht versucht und versuchten sie nicht, es zu sein.
Giacomo Leopardi (1, 523), Das Gedankenbuch

Wenn du Menschen glücklich machen willst, dann beschenke sie nicht, sondern nimm ihnen einige ihrer Wünsche.
Epikur

Möglichst viel Glück, sagt man. Aber wie, wenn die höchste Glücksempfindung einen Menschen voraussetzte, der auch Allertiefstes gelitten haben muß? Wenn Glücksgefühl überhaupt erst möglich wäre in einem durch Lust und Unlust gereiften Herzen? Wer möglichst viel Glücksmöglichkeiten fordert, muß auch möglichst viel Unglück fordern, oder er negiert ihre Grundbedingungen.
Christian Morgenstern (1, 91), Sprüche, Epigramme, Aphorismen, Notizen

So ist das Glück in seinem ganzen Umfang genommen die größte Lust, deren wir fähig sind, und das Unglück ebenso genommen der größte Schmerz, den wir fühlen können. Und der unterste Grad dessen, was man Glück nennen kann, ist derjenige Zustand, wo man, von jedem Schmerze frei, ein solches Maß gegenwärtiger Lust genießt, daß man mit einem geringeren nicht zufrieden sein kann.
Gottfried Wilhelm Leibniz (1, 177), Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand

Wir fühlen den Schmerz, aber nicht die Schmerzlosigkeit; wir fühlen die Sorge, aber nicht die Sorglosigkeit; die Furcht, aber nicht die Sicherheit. Wir fühlen den Wunsch, wie wir Hunger und Durst fühlen; sobald er aber erfüllt worden, ist es damit wie mit einem genossenen Bissen, der in dem Augenblick, da er verschluckt wird, für unser Gefühl dazusein aufhört. Genüsse und Freuden vermissen wir schmerzlich, sobald sie ausbleiben: aber Schmerzen, selbst wenn sie nach langer Abwesenheit ausbleiben, werden nicht unmittelbar vermißt. - Daher werden wir der drei größten Güter des Lebens, Gesundheit, Jugend und Freiheit, nicht als solcher inne, solange wir sie besitzen; sondern erst, nachdem wir sie verloren haben. - Daß Tage unseres Lebens glücklich waren, merken wir erst, nachdem sie unglücklicheren Platz gemacht haben.
Arthur Schopenhauer (4, Bd. II: 735 f), Die Welt als Wille und Vorstellung II

Wären wir bloß in der Welt um des Genusses willen, so wäre zum Seelenglücke ein Bedürfnis genug: das Bedürfnis nach gegenseitiger Liebe. Aber unsere Glückseligkeit ist auch an Ausübung geselliger Pflichten gebunden, und so entstehen für uns der Bedürfnisse mehrere. Wir brauchen Kultur, Arbeit, Sorgen, müssen uns helfen lassen und helfen.
Christoph Friedrich Nicolai (1, 102), Vertraute Briefe

Positives Glück gibt es auf Erden nicht. Irdisches Glück heißt -: Das Unglück besucht uns nicht zu regelmäßig.
Karl Gutzkow (2, 20), Gutzkows Werke

Absolutes Glück oder Unglück kennen wir nicht. Alles ist in diesem Leben gemischt; man genießt darin kein Gefühl ganz rein, verharrt nicht zwei Augenblicke in demselben Zustand. Geistig wie körperlich befinden wir uns in fortwährenden Schwankungen. Gutes wie Böses ist unser gemeinsames Erbteil, wenn auch in verschiedenem Maße. Der Glücklichste ist derjenige, welcher am wenigsten Not und Sorgen zu erfahren hat, der Unglücklichste, wer am wenigsten Freude empfindet. Trotz aller Verschiedenheit des Erdenloses ist es doch darin bei allen gleich, daß wir mehr bittere als freudvolle Stunden durchzumachen haben. Hienieden ist deshalb das Glück des Menschen nur ein negativer Zustand; man kann es lediglich nach der geringeren Anzahl der zu erduldenden Uebel bemessen.
Jean-Jacques Rousseau (2, Bd.1: 104), Emil oder über die Erziehung

Glück ist, seinen Anlagen gemäß verbraucht zu werden.
Frank Wedekind

Mein Unglück kann sein, wie es will, mein Glück aber muß sein, wie ich es will.
Emil Gött (1, 125), Gesammelte Werke

Es genügt nicht, selbst glücklich zu sein; die anderen müssen dazu noch unglücklich sein.
Jules Renard (1, 79), Tagebuch, 16. Mai 1894

Daß andere Leute kein Glück haben, finden wir sehr leicht natürlich, daß wir selbst keines haben, immer unfaßbar.
Marie von Ebner-Eschenbach (1, 33), Aphorismen

Denn nichts lernt unsere Weisheit leichter einsehen, als die Unabänderlichkeit der Leiden anderer. - Aber, wenn es uns selbst trifft, wenn die Unabänderlichkeit gerade uns faßt, alles das in uns knickt, was werden möchte, wenn jeder Tag mit neuem Hoffen und Warten beginnt und doch nie anderes bringt, als dieselbe Enttäuschung, denselben müden Abend - dann erst erkennen wir die Ungeheuerlichkeit des Weltenleids, weil es unser Leid ist. Ach, das gläubige Hoffen junger Jahre, das allmählich zu zweifelndem Warten wird! Wenn uns zuerst im Leben Unglück und Unrecht betreffen, denken wir, daß sie nur ein vorübergehender Irrtum sind - etwas wie ein Rechenfehler - der gleich korrigiert und richtig gestellt werden wird. Alles in uns selbst erscheint uns so wichtig, so sehr der Entfaltung wert, daß wir den Gedanken unerträglich finden, irgend etwas unserer kostbaren Gaben können unentwickelt, ungenutzt verkümmern und zugrunde gehen. - Samenstäubchen? - ja, für die ist es unabänderliches Weltengesetz. Aber wir?
Doch es mehren sich täglich die Erfahrungen, sie wachsen zu langer Kette, und blicken wir zurück, so sehen wir, wie Vieles schon in uns gestorben, noch ehe es leben durfte, verkümmerte Talente, schaffensfreudiges Wollen, Sehnsucht zu lieben, Anlagen und Interesssen - alle umsonst in uns gelegt, es sollte sich ja nie entfalten dürfen - war schon im voraus verdammt. [..] Mählich wächst dann die Erkenntnis, gegen die wir uns zuerst noch sträubten, von der wir im Innersten längst wissen, daß sie recht hat - auch wir gehören zu den Verschwendeten, zu den Millionen, deren Erscheinen ganz zwecklos war. Überproduktion. Schaum, der über den Rand des Bechers fließt. Wer das vom eigenen Leben erkannt hat, den fröstelt es in Mark und Blut.
Elisabeth von Heyking (1, 27.), Briefe, die ihn nicht erreichten: Berlin, Mai 1900

Wenn man nur glücklich sein wollte, das wäre bald getan. Aber man will immer glücklicher sein als die andern, und das ist fast immer schwierig, weil wir die andern für glücklicher halten, als sie sind.
Baron de La Brède et de Montesquieu (1, 305), Meine Gedanken: Über das Glück

Irgendein Mensch ist immer der unglücklichste. Aber nicht lange, und darin liegt der Trost.
Friedrich Hebbel (1, [5205]), Tagebücher 1848-1863

Der wirksamste Trost bei jedem Unglück, in jedem Leiden ist, hinzusehn auf die andern, die noch unglücklicher sind als wir: und dies kann jeder.
Arthur Schopenhauer (4, Bd. V: 344), Parerga und Paralipomena II

Mein Glück besteht darin, das Glück anderer Menschen nicht zu stören.
George Sand (1, 128), Brief an Marie d'Agoult, 25. Mai 1836

Die Erde, die Erde ist die Hölle, der von einer höheren Vernunft eingerichtete Kerker, in dem ich nicht einen Schritt gehen kann, ohne das Glück der andern zu verletzen, und die andern nicht glücklich bleiben können, ohne mir wehe zu tun.
August Johan Strindberg (1, 189), Inferno

Nur unbefriedigtes Bedürfniss macht unglücklich; bedürfe nur nichts als das, was du dir selbst gewähren kannst; - aber du kannst dir nur das gewähren, dass du dir nichts vorzuwerfen habest, - und du bist auf ewig unzugänglich dem Unglücke. Du bedarfst keines Dinges außer dir; auch nicht eines Gottes; du selbst bist dir dein Gott, dein Heiland und dein Erlöser.
Johann Gottlieb Fichte (1, Bd. 5: 504), Die Anweisung zum seligen Leben

Das Schicksal sucht sich immer den Richtigen. Aber wir räsonieren beständig: das ist nicht gut, und das ist nicht recht. Unser Glück, lieber Freund, ist wie ein Zugnetz im Wasser: wenn man's schleppt, bauscht es sich auf, daß man sich Wunder was für Hoffnungen macht, und zieht man's dann heraus, so ist nichts drin. Ja, so ist das.
Lew Nikolajewitsch Tolstoi (2, Bd. 4: 70), Krieg und Frieden

Prüfen Sie sich, [...] ob Sie Kräfte entwickeln können und wollen zum Besten anderer, so wird Ihnen nichts fehlen an der Fähigkeit, glücklich zu sein und glücklich zu machen. Der Grad des Glücks wird bestimmt durch den Grad der Fähigkeit, für andere und in anderen zu leben.
Christoph Friedrich Nicolai (1, 93), Vertraute Briefe

Unser Glück in der Ehe, in der Liebe, in der Freundschaft, in allen nur erdenklichen Liebesbeziehungen und menschlichen Bindungen kann nicht das Werk, die Angelegenheit, die Wohltat, das Wunderwerk nur einer Seite sein. Man darf nicht damit rechnen, daß irgendein Mensch auf dieser Welt, trotz bestem Willen, uns völlig und in allen Dingen zufriedenstellen kann, wenn wir ihm nicht dabei helfen mit all unserem Wollen und Tun. Es braucht zwei, um das Glück zu schmieden, so wie zwei nötig sind, ein Kind zu zeugen.
George Sand (1, 283 f), Brief an ihren Sohn Maurice, 17. Dezember 1850

Künftiges Glück ist wie ein tropisches Gestade: es sendet weit über den Ozean, der noch dazwischen liegt, seinen lauen Erdgeruch herüber, balsamischen Duft, von dem man sich berauschen läßt, ohne den Horizont nach dem Woher zu fragen.
Gustave Flaubert (1, 121f), Madame Bovary

Welche sonderbare Wesen sind diese Menschen! Wie sonderbar ist ihr Leben! Wie tragisch ihr ganzes Schicksal! Sie lieben sich und dürfen es meistens nicht sagen, und dürfen sie es einmal sagen, so können sie doch einander selten verstehn! [...] sie sind sterblich, nur eine kurze Spanne Zeit ist ihnen vergönnt, das Glück zu suchen, sie müssen es schnell erhaschen, hastig ans Herz drücken, ehe es entflieht - deshalb sind ihre Liebeslieder auch so zart, so innig, so süßängstlich, so verzweiflungsvoll lustig, ein so seltsames Gemisch von Freude und Schmerz. Der Gedanke des Todes wirft seinen melancholischen Schatten über ihre glücklichsten Stunden und tröstet sie lieblich im Unglück. Sie können weinen. Welche Poesie in so einer Menschenträne!
Heinrich Heine (2, 99), Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski

Das Glück tut uns weder wohl noch übel: es gibt uns dazu bloß den Stoff und den Samen, die unsre Seele, die mächtiger ist als das Glück, nach ihrem Gefallen bearbeitet und anwendet; denn nur sie allein ist Urheberin und Schöpferin ihres glücklichen oder unglücklichen Befindens.
Michel de Montaigne (1, 31), Essays

Es ist viel Glück in mir, Glück, das mir meine Grenzen verschleiert und Glück, das sie mir ins Unbestimmte hinausrücken zu dürfen scheint. Ich habe viel Talent zum Leben, - wenn das Leben nur mehr Talent zu mir hätte. Aber manchmal weht doch ein Windstoß alle die warme schützende Illusion fort und dann sehe ich flüchtig meinen Umriß und - schaudere.
Christian Morgenstern (2), Stufen. In me ipsum, 1907

Es gibt nur einen angeborenen Irrtum, und es ist der, daß wir da sind, um glücklich zu sein.
Arthur Schopenhauer (4, Bd. II: 813f), Die Welt als Wille und Vorstellung II

Wir sind nur darum auf kleine armselige Augenblicke glücklich, um unser Unglück nachher desto schärfer zu fühlen. Es ist der alte Fluch, Glück muß mit Unglück wechseln, und eben darin besteht unser Leben und unser Elend.
Ludwig Tieck (1, Bd. 1: 652), William Lovell

Überwinde glücklich die Gefahren, denen du mit deiner Geburt ausgesetzt wurdest: baue dir ein Schiff aus Entschlossenheit und Willenskraft und setze über den Strom, dessen Wasserfluten die fünf Sinne sind und in dem Ungeheuer wie Liebe und Zorn hausen.
Indische Spruchweisheit (Mahabharata-Epos)

Die Stunde ausfüllen: das ist Glück. Die Stunde ausfüllen und keine Ritze offen lassen, durch die Reue oder Billigung sich einschleichen können. Wir leben auf lauter Oberflächen, und die echte Lebenskunst besteht darin, möglichst glatt über sie hinwegzuschlittern.
Ralph Waldo Emerson, Experience

Warum muss ich Hindernisse für meine Wünsche finden? Warum muss mein Glück durch Leiden gestört werden? Doch was sage ich! Würde ich die Güter, welche mir geboten werden, wahrhaft geniessen, wenn ich nie einen Sieg zu erkämpfen hätte? Würde ich sie geniessen, wenn die Übel, über welche ich mich beklage, mich nicht ihren Wert erkennen lehrten? Mein Unglück selbst trägt zu meinem Glücke bei, und der grösste Genuss der Güter entspringt aus der lebhaften Vorstellung der Übel, mit denen ich sie vergleiche. Der wechselnden Wiederkehr beider verdanke ich alle meine Erkenntnisse, verdanke ich Alles, was ich bin.
Étienne Bonnot de Condillac (1, 217), Abhandlung über die Empfindungen

Wenn das Meer rauscht, werden sie nachdenklich - sie fühlen plötzlich Halbvergeßnes, einer klopft an die Tür, an eine wenig beachtete, kleine Hintertür ... sie öffnen den Spalt - da kommt es herein: Und drängt sie halb aus dem Haus, mit einem Fuß stehn sie draußen; außer sich. Für Augenblicke sind sie Pflanze geworden, sie wachsen dumpf vor sich hin, auch dieses Wachstum ist manchmal angehalten. Dann steht die Zeit still, und die Urmelodie wird hörbar: das Leid.
Kurt Tucholsky (1, Bd. 10: 138), Gesammelte Werke in 10 Bänden

Ich verlange nichts weiter, als glücklich zu sein. Ist es meine Schuld, wenn ich bei allen Dingen nur die Mängel sehe und ihretwegen bedrückt bin, wenn das ganze Leben nichts weiter ist als ein Lüge, eine Kette trügerischer Hoffnungen? Man begreift dies zu spät. Wir sagen es unseren Kindern, die es uns nicht abnehmen. Sie haben graue Haare, wenn sie zu dieser Einsicht kommen.
Denis Diderot (1, 222), Brief an Sophie Volland, 3. Oktober 1762

Wenn das Glück kommt, pack es mit fester Hand; von vorne aber, denn hinten ist es kahlköpfig.
Leonardo da Vinci (1, 17), Die Aphorismen, Rätsel und Prophezeiungen

Die meisten Menschen sind in dem Maße glücklich, wie sie es sich selbst gestatten.
Abraham Lincoln

Freilich kostet es Kunst, sich selbst zu überreden, daß man glücklich ist: aber welches Glück besteht denn auch in etwas mehr als in unser Überredung?
Gotthold Ephraim Lessing (2, 233), Brief an Eva König: 12. Februar 1771

Der Pfad des Glückes gleicht der Milchstraße am Himmel, die eine Anhäufung oder ein Knäuel von einer Anzahl kleiner, nicht einzeln wahrnehmbarer, doch im Verein lichtstrahlender Sterne ist.
Francis Bacon (1, 170), Essays

Glaubst du denn, daß den menschlichen Dingen überhaupt irgend welche Stetigkeit innewohnt, da doch den Menschen selbst oft eine flüchtige Stunde dahinrafft?! Und wenn wirklich einmal, was so selten geschieht, das Glück sich beständig erweisen sollte, so endigt mit dem letzten Tage des Lebens doch auch das beständigste Glück! Macht es denn etwa einen Unterschied, ob du dem Glück untreu wirst, indem du stirbst, oder das Glück dir, indem es entschwindet?
Anicius Manlius Severinus Boethius (1, 37), Die Tröstungen der Philosophie

Die Menschen kennen sich nicht - sie wissen nicht, wie sie sind. [...] Jedes Wort, das sie sagen, ist unwahr, erlogen. Das wissen sie nicht, denn sie sind heute so und morgen so, je nachdem ob sie gegessen, getrunken und geliebt haben oder nicht. [...] Wenn sie am glücklichsten sind, dann jammern sie, dann stöhnen sie und im tiefsten Elend freuen sie sich jedes winzigen Happens. Es ist sonderbar, wie der Hunger den Menschen die Kraft zum Unglück nimmt. Wenn sie sich aber gesättigt haben, dann machen sie sich die Welt zur Folterkammer, dann werfen sie ihr Leben für die Befriedigung einer Laune weg. - Ob es wohl einmal Menschen gegeben hat, die durch Liebe glücklich geworden sind? Was ist denn ihr Glück anders, als daß sie besser schlafen und alles vergessen können?
Frank Wedekind (1, 384), Die Büchse der Pandora

[...] wenn man dieses Märchen von der endlich mal nach vernünftigen und wissenschaftlichen Grundsätzen eingerichteten Menschheit auf Erden als möglich annimmt und an seine dereinstige Verwirklichung glaubt, also an das zukünftige Menschenglück auf Erden glaubt, so ist doch schon der bloße Gedanke, daß die Natur infolge irgendwelcher ihrer trägen Gesetze es nötig hätte, den Menschen Jahrtausende lang zu quälen, bevor sie ihn zu diesem Glück brachte, unerträglich und empörend. Jetzt füge man noch hinzu, daß dieselbe Natur, die dem Menschen endlich einmal ein Glück gewährt, all das morgen schon aus irgendeinem Grunde in eine Null verwandeln muß, ungeachtet aller Leiden, mit denen die Menschheit für dieses Glück bezahlt hat, [...] so kommt mir ein überaus komischer, aber auch unerträglicher Gedanke: ,Nun, wie aber, wenn der Mensch nur so als unverschämter Versuch in die Welt gesetzt worden ist, nur um zu sehen, ob sich ein solches Geschöpf auf der Erde wird einleben können oder nicht?'
Fjodor M. Dostojewski (1, 257 f), Tagebuch eines Schriftstellers

Dicht neben dem Wehe der Welt, und oft auf seinem vulkanischen Boden, hat der Mensch seine kleinen Gärten des Glücks angelegt; [...] überall wird er etwas Glück neben dem Unheil aufgesprosst finden - und zwar um so mehr Glück, je vulkanischer der Boden war -, nur wäre es lächerlich, zu sagen, dass mit diesem Glück das Leiden selbst gerechtfertigt wäre.
Friedrich Nietzsche (7, 591), Menschliches, Allzumenschliches

Etwas zu wünschen übrig haben, um nicht vor lauter Glück unglücklich zu sein. Der Leib will atmen und der Geist streben. Wer alles besäße, wäre über alles enttäuscht und mißvergnügt. Sogar dem Verstande muß etwas zu wissen übrigbleiben, was die Neugier lockt und die Hoffnung belebt. Übersättigungen an Glück sind tödlich. [...] Ist nichts mehr zu wünschen, so ist alles zu fürchten: unglückliches Glück! wo der Wunsch aufhört, beginnt die Frucht.
Balthasar Gracián (1, Nr. 200), Handorakel und Kunst der Weltklugheit

Das Leben stellt sich dar als ein fortgesetzter Betrug, im Kleinen, wie im Großen. Hat es versprochen, so hält es nicht; es sei denn, um zu zeigen, wie wenig wünschenswert das Gewünschte war: so täuscht uns also bald die Hoffnung, bald das Gehoffte. Hat es gegeben; so war es, um zu nehmen. [...] Das Glück liegt demgemäß stets in der Zukunft, oder auch in der Vergangenheit, und die Gegenwart ist einer kleinen dunkeln Wolke zu vergleichen, welche der Wind über die besonnte Fläche treibt: vor ihr und hinter ihr ist Alles hell, nur sie selbst wirft stets einen Schatten. Sie ist demnach allezeit ungenügend, die Zukunft aber ungewiß, die Vergangenheit unwiederbringlich. Das Leben, mit seinen stündlichen, täglichen, wöchentlichen und jährlichen, kleinen, größern und großen Widerwärtigkeiten, mit seinen getäuschten Hoffnungen und seinen alle Berechnung vereitelnden Unfällen, trägt so deutlich das Gepräge von etwas, das uns verleidet werden soll, daß es schwer zu begreifen ist, wie man dies hat verkennen können und sich überreden lassen, es sei da, um dankbar genossen zu werden, und der Mensch, um glücklich zu sein.
Arthur Schopenhauer (3, Bd. 4: 670f), Die Welt als Wille und Vorstellung

In nichts hat die Natur es besser mit uns gemeint, als daß sie, das Elend kennend, in das wir hineingeboren werden, uns als Linderungsmittel des Unglücks die Gewohnheit gab, die uns das Schwerste bald vertraut macht. Wenn das Unglück in der Fortdauer gleich stark wäre wie beim ersten Anprall, so würde es niemand aushalten.
Seneca (1, 49), Vom glückseligen Leben

Weinen ist besser als Lachen. Wer traurig ist, kennt das Leben.
Die Bibel (1, 602), Kohelet 7,3

Zwischen Weinen und Lachen
schwingt die Schaukel des Lebens.
Zwischen Weinen und Lachen
fliegt in ihr der Mensch.
Christian Morgenstern (3), In Phanta's Schloß. Zwischen Weinen und Lachen

Ich halte dich für unglücklich, weil du nie Unglück hattest; du bist ohne Kampf durchs Leben gegangen; niemand weiß, was du hättest leisten können, nicht einmal du selbst.
Seneca (1, 105), Vom glückseligen Leben

Wehe denen, die Glück haben! Der Weg, der Weg, diese langsame Akkumulation von ungeheuren Lebens-Energieen ist ihnen erspart, ist ihnen versagt! Sie sind betrogen um das einzig Wertvolle! Armselig Besitzende!
Peter Altenberg, Prodomos

Der Mensch wird durch das Leid erst gehärtet, um das Glück ertragen zu können; so wie der Ton im Feuer gebrannt wird, um Wasser fassen zu können.
Aurelius Augustinus

Der Höhepunkt des Glücks ist es, wenn der Mensch bereit ist, das zu sein, was er ist.
Erasmus von Rotterdam

Es gibt viel Unglück auf Erden - wer zweifelt daran? - aber die Hälfte davon zimmern sich doch die Menschen selbst mit großer Mühe zusammen.
Ludwig Tieck (2, Bd. 4: 307), Der junge Tischlermeister

Wozu wären wir denn wohl geboren, als um zu erkennen, wie glücklich wir wären, nicht geboren zu sein?
Giacomo Leopardi (1, 209), Das Gedankenbuch

Alle Lebewesen erscheinen mir gleich unglücklich, vom Engel bis zur Auster. Das Übel ist, geboren zu sein.
Marquise du Deffand, an Voltaire

Wir verleben unsre schönen Tage, ohne sie zu bemerken: erst wenn die schlimmen kommen, wünschen wir jene zurück. Tausend heitere, angenehme Stunden lassen wir, mit verdrießlichem Gesicht, ungenossen an uns vorüberziehn, um nachher, zur trüben Zeit, mit vergeblicher Sehnsucht ihnen nachzuseufzen. Statt dessen sollten wir jede erträgliche Gegenwart, auch die alltägliche, welche wir jetzt so gleichgültig vorüberziehn lassen, und wohl gar noch ungeduldig nachschieben, - in Ehren halten, stets eingedenk, daß sie eben jetzt hinüberwallt in jene Apotheose der Vergangenheit, wo selbst sie fortan, vom Lichte der Unvergänglichkeit umstrahlt, vom Gedächtnisse aufbewahrt wird.
Arthur Schopenhauer (1, 686), Aphorismen zur Lebensweisheit

Das Licht der Sonne sehen zu können bedeutet Glück und Freude. Genieße froh jeden Tag, der dir gegeben ist! Auch wenn du noch viele vor dir hast - denk daran, daß die Nacht, die ihnen folgt, noch länger ist. Alles, was dann kommt, ist sinnlos. Freu dich, junger Mensch! Sei glücklich, solange du noch jung bist! Tu, was dir Spaß macht, wozu deine Augen dich locken! [...] Genieße dein Leben, bevor es zu Ende geht, wie eine silberne Schnur zerreißt oder eine goldene Schale zerbricht, wie ein Krug an der Quelle in Scherben geht oder das Schöpfrad zerbrochen in den Brunnen stürzt.
Die Bibel (1, 605), Kohelet 11,7-12,6

Weit notwendiger als das eigene Glück ist es für den Menschen, zu wissen und jeden Augenblick daran zu glauben, daß es irgendwo bereits für alle und jeden ein vollkommenes, ruhiges Glück gibt ... Das ganze Gesetz des menschlichen Daseins besteht nur darin, daß der Mensch sich immer vor etwas unermeßlich Hohem beugen kann. Wenn man die Menschen des unermeßlich Hohen beraubt, so werden sie nicht am Leben bleiben, sondern in Verzweiflung sterben. Das Unermeßliche und Unendliche ist dem Menschen ebenso notwendig wie der kleine Planet, auf dem er wohnt ...
Fjodor M. Dostojewski (3, Bd. 3: 348), Die Dämonen

Das meiste in der Welt ist Schwindel, und der ästhetische Schnickschnack schon ganz gewiß. Es kommt auf ganz andre Dinge an, was nur von halbgebildeten Schwabbelmeiers bestritten werden kann; wer ernsthaft in Kunst und Wissenschaft steht, weiß am besten, daß es mit der Phrase nicht getan ist, und daß Haus und Herd, Familie und Vermögen die Dinge sind, um die sich realiter die irdischen Interessen drehn. Und mit diesen Interessen auch das Glück. Denn was nicht interessiert, kann auch nicht glücklich machen. Es ist ein Gewinn, ein Fortschritt, die Dinge des Lebens aus diesem Gesichtspunkte anzusehn, und nur das eine muß gewünscht werden, daß diese realen Güter einem auch wirklich echt und auskömmlich geboten werden. Davon hängt alles ab. So ist es denn mein aufrichtiger Wunsch, daß die Liebe Deines Mannes Dir bleiben, das Geschäft prosperieren, das kleine, junge Leben gedeihen möge. Hast Du dies, so hast Du alles. Der Rest ist Flitter.
Theodor Fontane (2, 120), Brief an seine Schwester, 22. Dezember 1875