Mensch & Menschliches

Tadle nichts Menschliches. Alles ist gut, nur nicht immer, nur nicht überall, nur nicht für alle.
Novalis (3, 143), Aphorismen und Fagmente 1798-1800

Dann sieh, daß Du Mensch bleibst, Mensch sein ist vor allem die Hauptsache. Und das heißt: fest und klar und heiter sein, ja heiter trotz alledem, denn das Heulen ist Geschäft der Schwäche. Mensch sein, heißt sein ganzes Leben <<auf des Schicksals großer Waage>> freudig hinwerfen, wenn's sein muß, sich zugleich aber an jedem hellen Tag und jeder schönen Wolke freuen.
Rosa Luxemburg (1, 172), Brief an Mathilde Wurm, 28. Dezember 1916

Der Mensch ist ein Blinder, der vom Sehen träumt.
Friedrich Hebbel (1, [1421]), Tagebücher 1835-1843

Der Mensch ist ein schaffender Rückblick der Natur auf sich selbst.
Friedrich Schlegel (2, 258), Ideen

Die Menschen drängen sich zum Lichte, nicht um besser zu sehen, sondern um besser zu glänzen.
Friedrich Nietzsche (8, 254.), Der Wanderer und sein Schatten

Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muß anders werden, wenn es gut werden soll.
Georg Christoph Lichtenberg (1, K 293), Schriften und Briefe

Der Mensch war im allgemeinen immer, was er ist. Das bedeutet nicht, daß er immer schöne Städte besaß, 24-Pfund-Kanonen, komische Opern und Nonnenklöster. Aber immer wohnte ihm der Trieb inne, sein Innenleben zu lieben, seine Gefährtin, Kinder und seiner Hände Werk.
Voltaire (3, 90), Aphorismen und Gedankenblitze

Es ist absurd, die Menschen in gute und schlechte einzuteilen. Sie sind entweder amüsant oder langweilig.
Oscar Wilde

Zwei Arten von Menschen: Die einen denken, die andern amüsieren sich.
Baron de La Brède et de Montesquieu (1, 329), Meine Gedanken

Die eine Hälfte der Welt lacht über die andre, und Narren sind alle.
Balthasar Gracián (1, Nr. 101), Handorakel und Kunst der Weltklugheit

Es ist sicherer, von allen Menschen schlecht zu denken, bis man herausgefunden hat, daß sie gut sind, doch das erfordert heutzutage sehr viele Nachforschungen.
Oscar Wilde (1, 42), Aphorismen

Was man feine Menschenkenntnis nennt, ist meistens nichts als Reflexion, Zurückstrahlung eigener Schwachheiten von anderen.
Georg Christoph Lichtenberg, (1, G: 17), Schriften und Briefe

Es ist leichter, die Menschen zu lieben, als zu ertragen - viele heftig zu lieben, als keinen zu hassen.
Jean Paul, Bemerkungen über uns närrische Menschen: 2. Bd. Februar 1793

Der wahrhaft große Mensch ist der, der niemanden beherrscht und der von niemanden beherrscht wird.
Khalil Gibran (1, 57), Sand und Schaum

Die Menschen sind keineswegs böse, sondern nur ihren Interessen unterworfen.
Claude-Adrien Helvetius

Die Schlechten sind tätig und verwegen, die Besseren - denn Gute kann man sie nicht nennen - sind träge und furchtsam. Das erklärt den meisten Unsinn, den wir in der Welt sehen.
Johann Gottfried Seume (1, 66), Apokryphen

Die meisten Menschen sind viel zu sehr mit sich beschäftigt, um boshaft zu sein.
Friedrich Nietzsche (7, 85.), Menschliches, Allzumenschliches: Zweites Hauptstück, Zur Geschichte der moralischen Empfindungen

Es ist kein Mensch, der das Böse liebe, weil es böse ist; er liebt in ihm nur die Vorteile und Genüsse, die es ihm verheisset, und die es ihm in der gegenwärtigen Lage der Menschheit mehrenteils wirklich gewährt.
Johann Gottlieb Fichte (1, Bd. 2: 276), Die Bestimmung des Menschen: Drittes Buch - Glaube

Arbeit, Plage, Mühe und Not ist allerdings ihr ganzes Leben hindurch das Los fast aller Menschen. Aber wenn alle Wünsche, kaum entstanden, schon erfüllt wären; womit sollte dann das menschliche Leben ausgefüllt, womit die Zeit zugebracht werden? Man versetze dies Geschlecht in ein Schlaraffenland, wo alles selbst wüchse und die Tauben gebraten herumflögen, auch jeder seine Heißgeliebte alsbald fände und ohne Schwierigkeit erhielte. - Da werden die Menschen zum Teil vor Langeweile sterben oder sich aufhängen, zum Teil aber einander bekriegen, würgen und morden und so sich mehr Leid verursachen, als jetzt die Natur ihnen auferlegt. - Also für ein solches Geschlecht paßt kein anderer Schauplatz, keine anderes Dasein.
Arthur Schopenhauer (4, Bd. V: 345), Parerga und Paralipomena II

»Es ist wahr, daß uns der Tod nahe ist und daß das ganze Treiben hier Torheit ist. Ich muß dir aufrichtig sagen: ich lege ja auf meine Pläne und auf meine Arbeit einen hohen Wert; aber wenn man's ernsthaft überlegt, so ist doch diese unsere ganze Menschenwelt nur so eine Art Schimmelüberzug, der sich auf einem kleinwinzigen Planeten gebildet hat. Und da bilden wir uns ein, es könne bei uns etwas Großes geben, große Pläne, große Taten! All das sind nur Sandkörnchen.«
Lew Nikolajewitsch Tolstoi (3, Bd. 2: 179), Anna Karenina

Der Mensch ist ein beschränktes Wesen, unsere Beschränkung zu überdenken ist der Sonntag gewidmet.
Johann Wolfgang von Goethe (3, 77), Wilhelm Meisters Wanderjahre

Der Mensch allein widerstrebt der Richtung der Gravitation: er möchte beständig nach oben - fallen.
Friedrich Nietzsche (10, 3[1]), Nachlass: Fragmente Sommer-Herbst 1882

Alle Menschen sind an das Schicksal angekettet, nur haben die einen eine goldene und weite Kette, die andern eine enge und rostige. Aber was ist das für ein Unterschied? Die gleiche Gefangenschaft umgibt alle; diejenigen, die andere gefesselt haben, sind selber auch gefesselt.
Seneca (1, 49), Vom glückseligen Leben

Alle Menschen zerfallen, wie zu allen Zeiten so auch jetzt noch, in Sklaven und Freie; denn wer von seinem Tage nicht zwei Drittel für sich hat, ist ein Sklave, er sei übrigens wer er wolle: Staatsmann, Kaufmann, Beamter, Gelehrter.
Friedrich Nietzsche (7, 283.), Menschliches, Allzumenschliches: Fünftes Hauptstück, Anzeichen höherer und niederer Cultur

Wir sind alle Gefangene, aber einige von uns leben in Zellen mit Fenstern und einige in Zellen ohne Fenster.
Khalil Gibran (1, 47), Sand und Schaum

Wir aber sind nicht Gefangene. Nicht Fallen und Schlingen sind um uns aufgestellt, und es gibt nichts, was uns ängstigen oder quälen sollte. [...] Wir haben keinen Grund, gegen unsere Welt Mißtrauen zu haben, denn sie ist nicht gegen uns. Hat sie Schrecken, so sind es unsere Schrecken, hat sie Abgründe, so gehören diese Abgründe uns, sind Gefahren da, so müssen wir versuchen, sie zu lieben.
Rainer Maria Rilke, Brief an Franz Xaver Kappus, 12. August 1904

Wenn ein Mensch ganz Wunde ist, so heißt ihn heilen - ihn töten!
Friedrich Hebbel (1, [2004]), Tagebücher 1835-1843

Der Mensch ist zwar das erste, aber nicht das einzige Geschöpf der Erde; er beherrscht die Welt, ist aber nicht das Universum. Also stehen ihm oft die Elemente der Natur entgegen, daher er mit ihnen kämpfet. Das Feuer zerstört seine Werke; Überschwemmungen bedecken sein Land; Stürme zertrümmern seine Schiffe, und Krankheiten morden sein Geschlecht. Alles dies ist ihm in den Weg gelegt, damit er's überwinde.
Johann Gottfried Herder (3, Bd. 1: 120), Briefe zur Beförderung der Humanität

[...] wenn das Schicksal alles beherrscht, so ist auch der Mensch ein Teil davon und kann Schicksal gegen Schicksal stellen. Wenn das Weltall seine wilden Angriffe gegen uns richtet, so können unsere Atome ihm einen ebenso wilden Widerstand entgegensetzen. Die atmosphärische Luft würde die Wände unseres Körpers eindrücken, wenn nicht die Luft in unserem Kröper eine ebenso mächtige Gegenkraft wäre. [...] Wenn Allmacht im Anprall liegt, so liegt auch Allmacht im Rückprall.
Ralph Waldo Emerson, Fate

Was sind wir Menschen doch! Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen, ein Ball des falschen Glücks, ein Irrlicht dieser Zeit, ein Schauplatz herber Angst, besetzt mit scharfem Leid, ein bald verschmelzter Schnee und abgebrannte Kerzen.
Andreas Gryphius, Menschliches Elend

Der Mensch ist alle Dinge

Der Mensch ist alle Ding': Ist's, daß ihm eins gebricht,
so kennet er fürwahr sein' Reichtum nicht.

Dein Kerker bist du selbst

Die Welt, die hält dich nicht, du selber bist die Welt,
die dich in dir mit dir so stark gefangenhält.

Die Unruh' kommt von dir

Nichts ist, das dich bewegt, du selber bist das Rad,
das aus sich selbsten läuft und keine Ruhe hat.
Friedrich von Spee (1, 95f), aus dem "Cherubinischen Wandersmann"

Wie fest meint jeder Mensch zu stehen und ist in Wahrheit nur ein Hauch! Er kommt und geht und gleicht darin dem Traumbild; er ist geschäftig und lärmt - für nichts; er sammelt und speichert und weiß nicht, wer's bekommt.
Die Bibel (1, 508), Psalm 39,6-7

Welches Trugbild ist denn der Mensch? Welches noch nie dagewesene Etwas, welches Monstrum, welches Chaos, welches Hort von Widersprüchen, welches Wunderding? Ein Richter über alle Dinge, ein schwacher Erdenwurm, ein Hüter der Wahrheit, eine Kloake der Ungewißheit und des Irrtums, Ruhm und Abschaum des Weltalls.
Blaise Pascal (1, Pensèe 131), Gedanken

Im Menschen ist Geschöpf und Schöpfer vereint: im Menschen ist Stoff, Bruchstück, Überfluß, Lehm, Kot, Unsinn, Chaos; aber im Menschen ist auch Schöpfer, Bildner, Hammer-Härte, Zuschauer- Göttlichkeit und siebenter Tag - versteht ihr diesen Gegensatz?
Friedrich Nietzsche (3, 225.), Jenseits von Gut und Böse

Was ist der Mensch? konnt ich beginnen; wie kommt es, daß so etwas in der Welt ist, das, wie ein Chaos, gärt, oder modert, wie ein fauler Baum, und nie zu einer Reife gedeiht? [...] Zu den Pflanzen spricht er, ich war auch einmal, wie ihr! und zu den reinen Sternen, ich will werden, wie ihr, in einer andren Welt! inzwischen bricht er auseinander und treibt hin und wieder seine Künste mit sich selbst, als könnt er, wenn es einmal sich aufgelöst, Lebendiges zusammensetzen, wie ein Mauerwerk; aber es macht ihn auch nicht irre, wenn nichts gebessert wird durch all sein Tun; es bleibt doch immerhin ein Kunststück, was er treibt.
Friedrich Hölderlin (1, Bd. 3: 47), Hyperion oder der Eremit in Griechenland

Das ist der Mensch; das ist jeder, der sich sagen kann: Ich bin Mensch. Sollte er nicht eine heilige Ehrfurcht vor sich selbst tragen und schaudern und erbeben vor seiner eigenen Majestät! - Das ist jeder, der mir sagen kann: Ich bin. - Wo du auch wohnest, du, der du nur Menschenantlitz trägst; [...] du bist darum doch, was ich bin: denn du kannst mir sagen: Ich bin.
Johann Gottlieb Fichte (2), Über die Würde des Menschen

Der Mensch ist alles, was man aus ihm macht. Und wir wollen, daß er gut sei und es kommt darauf an, daß alle Menschen guten Willens sind, zu wachen über sich und über alle Menschen. [...] Wir müssen Kinder und Heilige werden. Wenn wir dann auch noch Verstand und Vernunft haben, erreichen wir Dinge, wie sie niemals in der Welt erreicht worden sind. Wir müssen das Gute nehmen, wo wir es finden.
Hugo Ball (2, 61), Brief an seine Frau Emmy, März 1918

Ich möchte zu Ehren der Menschheit gerne glauben, daß der Erdball mit unzähligen Menschen bevölkert ist und sein wird, die Gutes tun. [...] Setze ich die Menschen mit dem unermeßlichen Raum über ihren Köpfen und unter ihren Füßen ins Verhältnis und mache auf diese Weise Ameisen aus ihnen, die auf einem Hügel hin und her laufen, so scheint es mir, als verkleinerten sich ihre Tugenden und Laster in derselben Proportion und schrumpften zu einem Nichts zusammen.
Denis Diderot (1, 26), Brief an Sophie Volland, 17. August 1759

In der Brust eines jeden Menschen schläft ein entsetzlicher Keim von Wahnsinn. Ringt mittelst aller heitern und tätigen Kräfte, daß er nie erwache!
Ernst von Feuchtersleben (1, Bd. 3: 375), Sämtliche Werke

Der Mensch ist im Grunde ein wildes entsetzliches Tier. Wir kennen es bloß im Zustande der Bändigung und Zähmung, welcher Zivilisation heißt; daher erschrecken uns gelegentlich die Ausbrüche seiner Natur. Aber wo und wann einmal Schloß und Kette abfallen und Anarchie eintritt, da zeigt sich, was er ist.
Arthur Schopenhauer (4, Bd. V: 251), Parerga und Paralipomena II

Jeder Mensch hat ein wildes Tier in sich; wenige wissen es zu bändigen, die meisten lassen ihm den Zügel, wenn die Furcht der Gesetze sie nicht zurückhält.
Johann Gottfried Herder (3, Bd. 1: 47), Briefe zur Beförderung der Humanität

Denn es gibt - und das ist Glaube - einen kleinen Rest, außerhalb der Erdenschwere, den man nicht fassen und erklären kann und der vermocht hat, die Menschen, wenigstens die fein empfindenden, so unglücklich zu machen: sie ahnen ganz dumpf, daß das hier nicht das Letzte und Endgültige ist, aber sie kommen nicht von der Scholle. Und ragen mit dem Kopf in die Wolken und wollen fliegen, aber die Füße wollen nicht von der Erde los. So ein Zwitterding: kein Tier, kein Gott. Von beiden etwas.
Kurt Tucholsky (4, 138), Brief an Mary Gerold: 17. August 1918

Der Mensch besteht aus zwei Teilen: einer wacht in der Dunkelheit, und der andere schläft im Licht.
Khalil Gibran (1, 62), Sand und Schaum

Der Mensch ist vielleicht halb Geist und halb Materie, so wie der Polype halb Pflanze und halb Tier. Auf der Grenze liegen immer die seltsamsten Geschöpfe.
Georg Christoph Lichtenberg (2, 58), Aphorismen

Der Mensch soll die Mitte zwischen der Pflanze und dem Gespenste sein.
Friedrich Nietzsche (10, 4[116]), Nachlass: Fragmente November 1882-Februar 1883

Der Mensch ist gleichsam die Brechung von Tönen, er ist das kühne Ufer zwischen See und Land, das gewagte Mittelgeschöpf zwischen Engel und Tier.
Johann Gottfried Herder (2, 100), Mensch und Welt

Der Mensch ist ein Tier, das zum Himmel aufschaut und doch nur die Spinnweben an der Decke sieht.
Jules Renard (1, 76), Tagebuch,10. April 1894

Ich fürchte, die Tiere betrachten den Menschen als ein Wesen ihresgleichen, das in höchst gefährlicher Weise den gesunden Tierverstand verloren hat, - als das wahnwitzige Tier, als das lachende Tier, als das weinende Tier, als das unglückselige Tier.
Friedrich Nietzsche (4, § 224), Die fröhliche Wissenschaft

Der Mensch ist ein Säugetier und benötigt zum Leben Nahrung, Luft und Wasser. Damit ist ihm aber noch nicht alles gegeben. Auf daß ihm wohl sei, braucht er: den Betrieb. Einen schönen, vollen, runden, bewegten Betrieb mit allem, was dazugehört: Organisation, Gruppen, Kollektivehre, Kampf, Platz und Sieg. Über diesen Betrieb vergißt er mitunter den Zweck des Rummels - und wer das zu benutzen versteht, der kann mit ihm alles, alles unternehmen, was er nur will. Sogar Kriege.
Kurt Tucholsky (1, Bd. 4: 164), Gesammelte Werke in 10 Bänden

Mensch: ein Tier, das Geschäfte macht; kein anderes Tier tut dies - kein Hund tauscht Knochen mit einem anderen.
Claude Adrien Helvétius

Endlich weiß ich, was den Menschen vom Tier unterscheidet: Geldsorgen.
Jules Renard (1, 255), Tagebuch, 16. Dezember 1904

Der Mensch ist das Tier mit roten Backen: der Mensch ist das Tier, welches sich oft hat schämen müssen.
Friedrich Nietzsche (10, 12[1]), Nachlass: Fragmente Sommer 1883

Der Mensch ist weder Engel, noch Thier; und das Unglück ist, daß wer Engel sein will, Thier wird.
Blaise Pascal (1, I./ 10. Abschnitt/13.), Gedanken

Die Menschen sind füreinander da. Also belehre oder dulde sie.
Marc Aurel (1, 108), Selbstbetrachtungen

In Wahrheit bist du keinem Menschen etwas schuldig. Du schuldest allen Menschen alles.
Khalil Gibran (1, 66), Sand und Schaum

Wer die Krankheit hat, keine Ungerechtigkeiten ertragen zu können, darf nicht zum Fenster hinaussehen und muß die Stubentür zuschließen. Vielleicht tut er auch wohl, wenn er den Spiegel wegnimmt.
Johann Gottfried Seume (1, 20), Apokryphen

Unlust ist keine Waffe, Verärgerung kein Prinzip, Gleichgültigkeit keine Idee.
Kurt Tucholsky (1, Bd. 4: 511), Gesammelte Werke in 10 Bänden

Denn was ist schließlich der Mensch in der Natur? Ein Nichts im Vergleich mit dem Unendlichen, ein All im Vergleich mit dem Nichts, ein Mittelding zwischen nichts und allem, unendlich weit davon entfernt, die Extreme zu begreifen; [...] Er ist gleichermaßen unfähig, das Nichts zu sehen, dem er entrissen wurde, und das Unendliche, das ihn verschlingt.
Blaise Pascal (1, Pensèe 199), Gedanken

Was ist der Mensch? Wozu ist er zu gebrauchen? Was ist gut an ihm, und was ist schlecht? Wenn er sehr alt wird, dann allenfalls hundert Jahre. Was ist das, verglichen mit der Ewigkeit? Ein Wassertropfen im Meer, ein Sandkörnchen am Strand.
Die Bibel (1, 978), Sirach 18,8

Ein einziger Zustand nur ist des Menschen Los: Die Atmosphäre seiner Seele besteht aus der Vereinigung des Himmels mit der Erde; was für ein widersprüchliches Kind ist doch der Mensch; [...] Mir scheint unsere Welt nur ein Fegefeuer für himmlische Geister zu sein, die von einem sündigen Gedanken verdunkelt sind.
Fjodor M. Dostojewski (2, Bd. 1: 5), Brief an seinen Bruder Michail, 9. August 1838

Der Mensch ist ein dunkles Wesen. Er weiß nicht, woher er kommt, noch wohin er geht, er weiß wenig von der Welt und am wenigsten von sich selber.
Johann Wolfgang von Goethe, zu Eckermann, 10.4.1829

Der Mensch will sich nur nicht verachten müssen, weiter aber will er nichts, und bedarf nichts und kann nichts brauchen.
Johann Gottlieb Fichte (1, Bd. 5: 503), Die Anweisung zum seligen Leben

der Mensch steckt voll lauter täuschender Erwartungen und Hoffnungen, wie voll geistiger Eingeweidewürmer; jede davon zeugt in einigen Minuten eine größere; morgen erzeugen sich wieder andere, übermorgen ganz andere. Jeden Tag sticht er sich eine neue Himmelkarte seines künftigen Himmels, und darnach, sagt er, sollen sich Erd- und Himmelkörper richten, oder ich will kein ehrlicher Mann sein. Und letztes hält er auch oft.
Jean Paul (6, VII.), Museum: Bruchstücke aus der »Kunst, stets heiter zu sein«

Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, daß er nicht dabei selbst zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.
Friedrich Nietzsche (3, 146.), Jenseits von Gut und Böse: Viertes Hauptstück, Sprüche und Zwischenspiele

Da die Menschen nicht Tod, Elend und Unwissenheit heilen konnten, sind sie, um sich glücklich zu machen, auf den Einfall gekommen, nicht daran zu denken.
Blaise Pascal (1, Pensèe 133), Gedanken

Nur dem Menschen gegenüber kann der Mensch schuldig sein. Ein Straßenräuber kann Gott nicht bestehlen. Was liegt dem ewigen Wesen daran, ob eine Handvoll gelben Metalls in Hieronymus' oder Bonaventura's Händen ist? Wir haben notwendige Wünsche, notwendige Leidenschaften, notwendige Gesetze, um sie zu unterdrücken; und während wir uns auf unserm Ameisenhaufen um einen Strohhalm zanken, geht das Universum seinen Gang nach ewigen und unwandelbaren Gesetzen, denen auch das Atom, was wir Erde nennen, unterworfen ist.
Voltaire, Über das Gute und das Böse in der physischen und in der moralischen Welt

Der Mensch lerne inmitten des Wechsels und Flusses nach dem Ewigen auszuschauen. Er lerne es ertragen, daß Dinge untergehen, die er zu verehren gewohnt war, und verliere darüber die Verehrung nicht. Er lerne, daß er hier ist, nicht um zu verarbeiten, sondern um verarbeitet zu werden, und daß, obgleich sich ein Abgrund unter dem anderen öffnet und eine Meinung die andere verdrängt, doch schließlich alles im ewigen Urgrund enthalten ist -: >>Zu neuen Meeren sinkt mein Schiff.<<
Ralph Waldo Emerson, Montaigne; or the sceptic

Die Menschen sind einsam. Wie Tote stehen sie nebeneinander auf einem Kirchhofe, jeder allein, ganz kalt, mit geballter Hand, die sich nicht öffnet und ausstreckt, um eine fremde zu nehmen. Nicht einmal ihr Körper hält das warme Sehnen nach Liebe aus, aber den Haß wohl; an jenem zerfällt er, sie sind Pflanzen aus einem kalten Klima, die den größten Frost, aber keine Hitze ausdauern.
Jean Paul (1, 6.), Biographische Belustigungen

Sage zu dir in der Morgenstunde: Heute werde ich mit einem unbedachtsamen, undankbaren, unverschämten, betrügerischen, neidischen, ungeselligen Menschen zusammentreffen. Alle diese Fehler sind Folgen ihrer Unwissenheit hinsichtlich des Guten und Bösen. Ich aber habe klar erkannt, daß das Gute seinem Wesen nach schön und das Böse häßlich ist, daß der Mensch, der gegen mich fehlt, in Wirklichkeit mit mir verwandt ist, nicht weil wir von demselben Blut, derselben Abkunft wären, sondern wir haben gleichen Anteil an der Vernunft, der göttlichen Bestimmung. Keiner kann mir Schaden zufügen, denn ich lasse mich nicht zu einem Laster verführen. Ebensowenig kann ich dem, der mir verwandt ist, zürnen und ihn hassen; denn wir sind zur gemeinschaftlichen Wirksamkeit beschaffen, wie die Füße, die Hände, die Augenlider, wie die obere und untere Kinnlade. Darum ist die Feindschaft der Menschen untereinander wider die Natur; Unwillen aber und Abscheu in sich fühlen ist eine Feindseligkeit.
Marc Aurel (1, 14), Selbstbetrachtungen

So sehr verlangen wir manchmal Engel zu werden, daß wir vergessen, gute Menschen zu sein.
François de Sales

Es liegt eben in der menschlichen Natur, vernünftig zu denken und unlogisch zu handeln.
Anatole France

Jedes Alter wird von seinen besonderen Triebfedern in Bewegung gesetzt. Der Mensch aber bleibt stets derselbe. Im zehnten Jahre läßt er sich durch Kuchen lenken, im zwanzigsten durch eine Geliebte, im dreißigsten durch Vergnügungen, im vierzigsten durch Ehrgeiz, im fünfzigsten durch Habsucht.
Jean-Jaques Rousseau (2, Bd. 2: 485), Emil oder Über die Erziehung

Der Mensch ist ein wahres Kind, er weiß nie recht, was er eigentlich will, er schreit und heult, und eine blecherne Klapper kann ihn zufrieden und glücklich machen; im folgenden Augenblicke wird sie wieder weggeworfen, und er sieht sich um, was er denn nun wohl wünschen könne.
Ludwig Tieck (1, 282), William Lovell

Wir leben heute noch recht wie Kinder, noch nicht wie erwachsene bewußte Menschen. Wir essen und trinken ruhig, während Mitmenschen neben uns verhungern und verdursten, wir gehen fröhlich in Freiheit herum, während Mitmenschen neben uns in Kerkern verderben. Wir können uns in jeder Weise freuen, während um uns in jeder Weise gelitten wird, und wenn wir selbst leiden, so haben wir die Unbefangenheit, mit dem Schicksal darum zu hadern. O, daß unser Herz und Geist mit den Zeiten verwandelt würde und diese bittere Häßlichkeit von uns abfiele und wir aus Kindern Erwachsene würden.
Christian Morgenstern (2), Stufen. Ethisches, 1912

Der Mensch weiß nie recht, was er will; und wenn er einmal hat, was er gewollt hat: so sieht er, daß es das nicht war. Und so geht all unser Bestreben ins Unendliche. Wir sind nie groß und glücklich, außer wenn wir aus uns selbst verschwinden. O Plato! du hattest recht: wir sind gefangene Gottheiten.
Wilhelm Heinse (1, 11), Aphorismen

Ein Mensch ist so stark, wie er lustig sein kann.
Carl Ludwig Schleich

Die Erde ist das Komödienhaus in der großen Himmelsstadt, und du, o Mensch, spielst den Hanswurst darin.
Ludwig Börne (1, 6), Das Staatspapier des Herzens